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Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)

Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)

Titel: Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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plötzlich, dass die Stadt, durch die ich als Nächstes fahren würde, Tulsk hieß. Tulsk . Verstehen Sie, was ich meine? Sie endet mit »sk«. Ich brauche also gar nicht nach Murmansk, Tomsk, Omsk, Braynsk, Gdansk oder Nowosibirsk zu reisen. Aber vielleicht tu ich’s trotzdem.
     
    Bisher unveröffentlicht.

Königin der Ohrstöpsel
    Aus Gründen, auf die ich nicht näher eingehen möchte, befand ich mich vor kurzem auf einer langen Busreise in ferne Regionen. Das wäre schön und sogar interessant gewesen – jede Menge Lokalkolorit, das für gewöhnlich darin besteht, dass Leute Hühner mit sich herumtragen –, nur waren meine vierzig Mitreisenden leider ausnahmslos Iren. Wir reisten »als Gruppe«. Und das Ding, wenn größere Ansammlungen von Iren ein anderes Land besuchen, ist, dass die nationale Pflicht, »massig Spaß« zu haben, schwer auf unseren irischen Schultern lastet. Es ist unsere Pflicht, unterhaltsam und lustig zu sein. Dafür sind wir berühmt, und wir können doch schließlich die armen humorlosen Ausländer nicht enttäuschen!
    Die muntere Reise begann damit, dass jeder von vorn nach hinten fröhliche Beleidigungen durch den Bus brüllte. Und man wurde als Spielverderber abgestempelt, wenn man nicht, sobald einer die Bustoilette benutzte, irgendwelche Spritz- und Zischgeräusche produzierte und der bedauernswerten Person mit der schwachen Blase eine Runde Applaus spendete. (Ich sage »man«, meine damit aber eigentlich eher »ich«. »Ich« wurde als Spielverderberin hingestellt.)
    Sehen Sie, ich bin Irin und fühlte mich trotzdem mies. Das Problem war der Lärm. Lärm vertrage ich immer schlecht, auch unter den besten Umständen. Und jetzt war es Mitternacht, wir hatten eine Achtstundenfahrt vor uns, und ich hoffte auf Schlaf.
    Doch das Geschrei und das »humorvolle« Runterputzen waren vergessen , als ich feststellte, dass uns demnächst auch noch ein berühmtes irisches Gesangsvergnügen blühte! Jemand zauberte eine Gitarre hervor. In solchen Fällen zaubert immer irgendwer eine Gitarre hervor. Und für gewöhnlich ist es der Mensch, der direkt hinter mir sitzt.
    Ganz egal, dass es mitten in der Nacht war, ganz egal, dass wir Meile um Meile einsamer, kalter Landschaft durchquerten – die Iren sangen aus tiefstem patriotischen Herzen für die armen spaßlosen Fremden. Erst die traurigen Lieder, in denen es darum geht, dass jemand Irland verlassen muss – das Emigrationsthema ist immer populär, selbst wenn es sich nur um einen Tagesausflug nach Achill handelt. Dann kamen die Gröllieder zum Füßestampfen. Bei den ersten Takten von »The Wild Rover« begann ich voller Sehnsucht zur Tür des Busses zu schielen.
    NO, NAY, NEVER.
    Eines Tages werde ich all das überstanden haben , dachte ich.
    RISE UP YOUR KILT!
    Eine Zeit wird kommen, da bin ich an einem friedlichen, ruhigen Ort. Vielleicht in einer Bibliothek. Oder vielleicht sogar in einem Kloster, einem von denen mit Schweigegelübde.
    NO, NAY, NEVER, NO MOAAAARE!
    Eines Tages bin ich alt und hoffentlich stocktaub. Wohlgemerkt, man sagt ja, das Gehör verliert man als Letztes. Wieder mal typisch …
    AND I’LL PLAAAAAAAY THE WILD ROVER, NO NEVER NO MOAAAAAAARE.
    Eigentlich sollte ich die Hoffnung aufgeben, dass sich die Dinge in diesem Leben noch ändern, ich kann es mir nämlich überhaupt nicht vorstellen. Eines Tages bin ich tot und begraben und kann nichts mehr hören, und dann ist das sowieso alles egal.
    Es war eine Folter, wirklich. Ich wollte mich zu dem Gitarrenspieler umdrehen, ihn mit ausgebreiteten Händen anflehen: »Bitte, reiß mir ruhig die Fingernägel aus, das ist mir gleich, tu mit mir, was du willst, solange du nur AUFHÖRST ZU SINGEN!«
    Nach etwa zwei Stunden in der Hölle – die sich anfühlten wie zwei Jahre – wurde eine Zigarettenpause eingelegt, und obwohl draußen arktische Temperaturen herrschten, stiegen alle aus, einschließlich meines Herzallerliebsten. (Ich verrate nicht, in welchem Land wir uns befanden, weil die anderen Passagiere sich sonst womöglich wiedererkennen, mich aufspüren und mir etwas vorsingen. Sagen wir einfach, es war in dem Teil der Welt, in dem der Winter hart ist und die Einheimischen nicht besonders viel Spaß haben.)
    Sogar mein Herzallerliebster, ansonsten der entspannteste, toleranteste Mensch, den ich kenne, fand die Situation anstrengend. Er hatte vor fünf Jahren das Rauchen aufgegeben, und ich hatte fürchterliche Angst, dass er rückfällig werden würde. Ich hätte

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