Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)
verrückter Menschen geht es mir immer am besten.
Dann war es Zeit, in den Zug zu steigen. Der Moskauer Bahnhof war eine Vision der Hölle: Verzweifelt aussehende, unrasierte Männer standen in der Eiseskälte herum und hielten Ausschau nach einem inoffiziellen Gepäckträgerjob. Überall gab es kleine Buden, an denen alkoholische Getränke ausgeschenkt wurden, und das Geschäft florierte.
Aber zu meiner Überraschung kam der Zug pünktlich und war wunderbar. Unser Schlafwagen kam mir wie ein Ferienhäuschen auf Rädern vor – zwei kleine Betten mit altmodischen, gemusterten Decken und Chintzvorhängen an den Fenstern. Die Wände waren mit Holz verschalt, alles war gemütlich und hübsch. Sobald die ohrenbetäubende Technomusik abgeschaltet wurde.
So ratterten wir durch die verschneite Nacht von einem kleinen Ort in dieser enormen Landmasse zu einem anderen.
Zweiter Tag
Dann kam der nächste Morgen, und wir erreichten die schöne Stadt Nischni Nowgorod. (Ich sage so schrecklich gern: »Ich war in Nischschschni Nowgorod, wissen Sie.« Sogar heute noch nehme ich jede passende und unpassende Gelegenheit wahr, diesen Namen im Gespräch unterzubringen. »Ach, Sie mögen Schokolade, ja? Ulkigerweise hab ich die leckerste Schokolade in Nischschschni Nowgorod gegessen.«)
Aber, du lieber Himmel, war das kalt hier, so kalt, dass es beim Atmen wehtat. Nach den lokalen Maßstäben war es allerdings überhaupt nicht kalt – die Einheimischen sprachen von einer Hitzewelle. Normalerweise hatte man dort um diese Jahreszeit minus dreißig Grad, aber jetzt waren es gerade mal milde, nicht jahreszeitgemäße minus zehn.
Wir wurden von einem wundervollen jungen Mann namens Artim empfangen und checkten im Hotel ein – dem niedlichsten, gemütlichsten und bezauberndsten Hotel, das man sich vorstellen kann. Von unserem Schlafzimmerfenster aus konnten wir zusehen, wie die Kinder auf einem gefrorenen Fußballfeld Schlittschuh liefen. Ich fühlte mich weit weg von zu Hause. Auf sehr angenehme Art.
Mein erster Termin war ein Treffen mit einigen Studenten – zum Thema kreatives Schreiben. Artim, Walja und ich begaben uns in die Eingeweide eines Nightclubs mit violetten Wänden, in dem besagte Studenten schlecht gelaunt und desillusioniert herumhingen. Ich strahlte vor Begeisterung. Mit eifrigen Teenagern,
die einen mit Hundeaugen anhimmeln und ganz scharf darauf sind, etwas zu lernen, kann ich nicht viel anfangen. Das kommt mir einfach nicht natürlich vor.
Mein nächstes Engagement war ein Fernsehinterview, und unsere ganze Gruppe machte sich in Artims Auto auf den Weg. Inzwischen hatten wir noch einen sehr netten, wenn auch etwas streng duftenden Studenten namens Pjotr im Schlepptau, der sich in dem violetten Nachtclub in mich verknallt hatte. Unterwegs zum Sender wurden wir zweimal von der Militärpolizei gestoppt.
Der Interviewer war ein dünner, superangespannter Typ namens Ed, der sich mit mir über »Kunst« unterhalten wollte.
»Wären Sie bereit, für Ihre Kunst zu sterben?«
Natürlich nicht. Aber weil ich ihn nicht enttäuschen wollte, nickte ich zustimmend. Klar würde ich für die Kunst sterben.
Doch dann wurde es knifflig. »Wir haben gerade gehört, dass Princess Margaret gestorben ist. Möchten Sie etwas dazu sagen?«
Das traf mich nun vollkommen unvorbereitet, und ich antwortete das Erste, was mir in den Kopf kam: »Man hätte sie den Mann heiraten lassen sollen, den sie geliebt hat. Das war echt gemein.«
Diese Antwort sorgte für Verwirrung. »Lieben Sie Ihre königliche Familie denn nicht?«
»Ich komme aus Irland, wissen Sie. Also ist es nicht meine königliche Familie.«
Noch mehr Verwirrung. Als das Interview vorbei war, beschlossen wir, etwas trinken zu gehen, und Ed sagte, er würde uns begleiten. Sein Rechercheur schloss sich ebenfalls an. Allmählich nahm meine Entourage Jennifer-Lopez-Ausmaße an.
Zurück im Hotel, bevor wir zum Essen gingen, ergriff meinen Herzallerliebsten und mich plötzlich eine heftige Sehnsucht nach Kaffee. Zum Glück waren wir im Besitz einiger Instant-Beutelchen – sie hatten zu unserem kleinen Begrüßungspaket im Zug gehört
–, daher benötigten wir nur noch kochendes Wasser. Ich erklärte mich bereit, mein Russisch an den Hotelbediensteten auszuprobieren. Zum Üben stellte ich mich vor den Spiegel und wiederholte ein paarmal. Freundlich lächeln, dann: »Sdrastwujte.« (Hallo .) »Woda, poschalusta.« (Wasser, bitte.)
Schon eilte ich die Treppe hinunter,
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