Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)
lächelte die Frau an und sagte mein Sprüchlein auf.
»Hmmm?«, machte sie. »Oh! Sie möchten heißes Wasser? Hier oder auf Ihrem Zimmer? Was wäre Ihnen lieber?«
»Ähm, ach so. Bitte auf dem Zimmer.«
(Ganz nebenbei für alle ein hilfreicher Tipp, den ich ganz zufällig entdeckt habe, weil ich meinen Kaffee so weit abkühlen lassen wollte, dass ich ihn trinken konnte: Wenn Sie Cappuccino möchten, aber keine entsprechende Maschine erreichbar ist, können Sie versuchen, russisches Mineralwasser mit Kohlensäure in den Kaffee zu geben. Das sprudelt und schäumt wie bei einem wissenschaftlichen Experiment. Seltsamerweise funktioniert der Trick aber nur mit russischem Mineralwasser.)
Dann gingen wir essen und wurden auf dem Weg zum Restaurant sechzehnmal von Militärpolizisten angehalten. Inzwischen erkannte ich ein paar von ihnen.
Wir verbrachten einen wunderschönen Abend. Die Leute waren intelligent, herzlich und lustig und verzierten selbst die traurigsten Geschichten noch mit einem Hauch höchst attraktiver Ironie. Ich LIEBE die Russen. Ich möchte auch Russin sein. Das Besondere an ihnen ist, dass sie in einer immer einheitlicher werdenden Welt immer noch so russisch geblieben sind. Und als die Rechnung kam, stürzten sie sich darauf, genau wie die Iren, rangen ihre Konkurrenten zu Boden und versuchten, alles zu bezahlen. Sehen Sie, so etwas gefällt mir einfach.
Dritter Tag
Auf dem Weg zum Frühstück begegnete ich Walja und machte den Fehler zu fragen: »Wie haben Sie geschlafen?« Die meisten Leute würden antworten: »Ganz gut.« Aber Walja gab mir einen minutiösen Bericht ihrer sämtlichen Gefühle. Während sie die Treppe zum Frühstücksraum hinuntertrappelte, erzählte sie: »Ich stelle mir dauernd vor, wie er den Sex mit seiner Neuen hat, und dann kann ich nicht schlafen. Ich rauche die ganze Nacht und denke daran, wie er den Sex mit mir macht statt mit der Neuen.«
Noch immer laut über »den Sex« redend, betraten wir einen netten kleinen Speiseraum mit weißen bestickten Leinentischtüchern und Servietten. Alles war ganz bezaubernd, abgesehen von dem Fernseher, aus dem Technomusik dröhnte, und zwar in einer Lautstärke, dass es schon an Körperverletzung grenzte, und dem Zigarettenmief, der das Sideboard mit dem Essen vernebelte.
Am Nachmittag begaben wir uns ins Rathaus. Nischni Nowgorod richtete ein Kunstfestival aus, und ich war die Hauptattraktion! Die Menschen drängten sich, es herrschte eine super Atmosphäre, immer wieder tauchte jemand auf, der seine Englischkenntnisse an mir ausprobieren wollte, aber Pjotr versuchte jedes Mal, die Eindringlinge zu verscheuchen, um mich allein mit (geruchsintensivem) Beschlag belegen zu können.
Dann war endlich Showtime, und gerade, als ich die Bühne erklomm, um mit meiner Lesung zu beginnen, flackerte das Licht einmal, zweimal und ging dann ganz aus. Was zum …? Es war die Elektrizität! Wir hatten einen Stromausfall! Einen hübschen, authentisch russischen Stromausfall! Ob er wohl echt war oder für uns Touristen inszeniert? Allem Anschein nach war er echt. Jedenfalls rannten alle aufgeregt in der Gegend herum und beteuerten uns: »Das passiert sonst nie! Nie! «
Nachforschungen wurden angestellt: War der Ausfall nur punktuell? Vielleicht nur im Rathaus? Aber nein, die ganze Stadt hatte keinen Strom. Obwohl es erst drei Uhr nachmittags war, war es schon ziemlich dunkel. Ein Beschluss wurde getroffen: Ich würde bei Kerzenschein lesen. Aber ich konnte nicht gleichzeitig lesen und die Kerze halten, weil sonst die Gefahr bestand, dass ich das Buch abfackelte, und schon war der liebeskranke Pjotr zur Stelle, um mich anzustrahlen. Wortwörtlich. Die Show ging weiter, und Pjotr nutzte jede Gelegenheit, um sich viel zu dicht an mich zu drängen. Aber hey, ich ging auf die vierzig zu und fühlte mich geschmeichelt.
Danach fiel ich den Poeten in die Hände. In der ersten Reihe gab es jede Menge von ihnen, einige waren zurechtgemacht wie James Joyce, bis hin zu den platt zurückgekämmten Haaren, der runden Brille und den tristen Anzügen. Sie bemächtigten sich meiner, als ich von der Bühne stieg, und alle schenkten mir signierte Exemplare ihrer schmalen Gedichtbändchen. Obwohl ich kein Wort von dem verstand, was sie sagten, waren die Poeten sehr lustig.
Bewaffnet mit russischen Gedichtbänden Marke Eigenbau kehrte ich zu Walja und meinem Herzallerliebsten zurück, und als Nächstes wurde uns eine kleine Pantomime vorgeführt. (Das Stück
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