Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)
lang hatte ich auf diesen gloriosen Augenblick gewartet, an dem
ich auf dem Gipfel ankommen und endlich erwachsen sein würde. Endlich würde ich in der Lage sein, Taxifahrer zu bitten, ihre ohrenbetäubenden Def-Leppard-Kassetten leiser zu stellen, und meinem Friseur zu sagen, dass er meinen Pony nicht richtig föhnte und bitte noch mal drübergehen sollte, und all das, ohne mich vor lauter schlechtem Gewissen total mies zu fühlen. Ich hatte eine Menge Hoffnung in die Aussicht gesetzt, dass all diese Veränderungen wie durch ein Wunder eintreten würden, wenn ich vierzig wurde. Aber nein, ich war immer noch eine im Körper einer Vierzigjährigen gefangene Neunzehnjährige, viel zu versessen auf Claire’s Accessoires und immer noch gelegentlich unter Pickeln leidend.
Doch dann geschah etwas …
Es war folgendermaßen. Ich habe Konfrontationen schon immer gehasst. Selbst wenn ich im Recht war und mich leidenschaftlich hätte verteidigen müssen, schluckte ich die Worte hinunter, zerstörte meine Magenwand und verpasste meinem zukünftigen Magengeschwür eine kräftige Aufbauspritze.
Aber etwa eine Woche nach dem großen Tag unterhielt ich mich mit einer alten Freundin, die ich sehr gern mag, mal abgesehen davon, dass sie besessen ist von ihrem Gewicht. Das wäre auch gar nicht so schlimm, wenn sie sich nur um ihr eigenes kümmern würde, aber sie ist hauptsächlich auf das Gewicht anderer Menschen fixiert, höhnisch, wenn sie zulegen, neidisch, wenn sie abnehmen. Wann immer wir uns sehen, kann ich spüren , wie sie mich mit den Augen wiegt, aber ich habe sie noch nie damit konfrontiert, weil ich so etwas einfach nicht tue. Jedenfalls erzählte sie gerade, dass sie dem Twix entsagt habe und wie dünn und energiegeladen sie sich fühle, als sich plötzlich ein roter Nebel auf mich herabsenkte und ich hörte – von fern, als würde ich jemand anderem lauschen –, wie ich ihr widersprach. Aufmerksam spitzte ich die Ohren.
Ich glaube, ich erklärte ihr, dass es ganz falsch sei, andere Leute nach ihrem Umfang zu beurteilen statt ihre wirklichen Qualitäten zu sehen – Freundlichkeit, Großzügigkeit, Humor. (Ich sagte »andere Leute«, aber in Wirklichkeit meinte ich damit natürlich mich selbst.)
Dann hob sich der Nebel wieder, und obwohl wir beide ein wenig verwundert waren, dachte ich nicht weiter darüber nach. Bis das Gleiche zwei Wochen später wieder passierte! Eine andere geliebte Freundin, Mutter von drei kleinen Jungen, die nichts anderes im Kopf hat außer Babygeschichten, was so langweilig ist, dass ich lieber mit Osama Bin Laden in einem Aufzug festsitzen würde als mit ihr. Sie besitzt die geradezu unheimliche Fähigkeit, jedes Gesprächsthema – Parkscheine, Leberzirrhose, Erdferkel – auf ihre Kinder umzulenken. (Darf ich an dieser Stelle anmerken, dass ich eine Menge Mütter in meiner Bekanntschaft habe und dass keine so schlimm ist wie diese?) Es ist tödlich anstrengend, unablässig zu lächeln und zu sagen: »Ach wirklich? Er hat einen Brief aufgemacht, in dem möglicherweise dein Parkschein hätte sein können? Tja, was für ein Glück, dass dem nicht so war!« Bevor ich wusste, wie mir geschah, senkte sich wieder der rote Nebel über mich, und ich hörte, wie ich fragte, ob wir nicht vielleicht zehn Minuten über etwas anderes reden könnten als über ihre Kinder.
Erst als ich ein drittes und auch noch ein viertes Mal »eingenebelt« worden war, begriff ich das Muster und schloss intuitiv, dass es etwas mit meinem fortgeschrittenen Alter zu tun haben musste. Konnte es sein … ? War es möglich … ? Ich war endlich erwachsen!
Drei von vier Krächen sind inzwischen wunderbar verheilt, aber die Mutter der drei Jungs hat mir immer noch nicht verziehen. Sie sagt, es sei nicht ihre Schuld, dass ich keine Kinder habe, und sie möchte wissen, was sie denn mit ihren Babys bitteschön machen solle? Sie in einer Schublade verstecken? Ich bin traurig, aber ich
werde es überleben. (Noch mehr Erwachsenenzeug, es ist wundervoll!) Ich habe vierzig Jahre gebraucht, um zu entdecken, dass ich Konfrontationen haben – und überleben – kann. Während ich nun durch das fünfte Lebensjahrzehnt schreite, bin ich guter Hoffnung für die Zukunft meiner Magenschleimhaut.
Aber fünfzig, das ist echt alt …
Erstmals veröffentlicht in Woman and Home , Februar 2004
Viel Luft
Eins, was unabänderlich zum Schriftstellerdasein gehört, ist die Recherche. Manchmal macht sie viel Spaß
Weitere Kostenlose Bücher