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Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)

Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)

Titel: Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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denn wir versorgten uns selbst, und da wir (abgesehen von Ljiljana) nicht die Art Familie sind, die irgendwelche Mahlzeiten »zaubert« – Paprika blanchieren, eine eigene Salatsauce mit Balsamicoessig kreieren und in fünfzehn Minuten einen »köstlichen, leichten Lunch« zusammenstellen –, war Brot für uns lebenswichtig. Wir konnten Käsesandwiches machen. Wir konnten Schinkensandwiches machen. Wir konnten Sandwiches mit Käse und Schinken machen. Na klar, dafür brauchte man nicht mal Teller. Als wir zum Supermarché aufbrachen, wurde ich an der Tür übel angerempelt, weil jeder darauf
beharrte, mir das Geld für den bevorstehenden Einkauf aufzudrängen. (»Ich übernehme das.« »Nein, das ist meine Sache.« »Je … moi … le … ach, Scheiße, ich mach das.«) Übersät mit Banknoten wie eine afghanische Braut, verließ ich endlich das Haus. (Ist das wirklich eine afghanische Sitte? Oder denke ich an Usbekistan? Oder Armenien?) Gerade als unser Auto auf die Straße einbog, ertönte aus dem Fenster im Obergeschoss eine körperlose Stimme: »Bringt auch Brot mit!«
    Wir kauften vier Laibe, was uns für einen Tag genug zu sein schien – schließlich würden wir chaque jour zum Supermarché und vielleicht sogar zur Boulangerie gehen. Nach unserer Rückkehr entwickelte sich ein wunderschöner, entspannter Ferientag. Wir sonnten uns, schwammen, schubsten einander von Luftmatratzen und gingen in der Küche aus und ein, um uns unsere Lunch-Sandwiches zu holen, wenn der Appetit uns packte. (Wann das bei mir der Fall ist? Nun, ich mag meinen Lunch normalerweise gegen Viertel vor elf.)
    Aber irgendwann am frühen Nachmittag kam Dad aus der Küche gestürzt, stellte sich oben an die Treppe, die in den Garten führte, und wie ein General, der mit Nachrichten über eine unerwartete schreckliche Niederlage in der Schlacht zurückkehrt, rief er den im Pool liegenden Gestalten klagend zu: »Das Brot ist alle!«
    Ich war zutiefst gedemütigt. Es war meine Verantwortung gewesen, genügend Brot zu kaufen, und ich hatte kläglich versagt. Dad stellte einen mickrigen Lunch aus Müsliriegeln, Ziegenkäse und Johannisbeer-Fruchtschnitten zusammen, und obwohl er das Beste aus der Situation machte, war er ganz offensichtlich nicht glücklich darüber.
    Aber später, als ich in die zugegebenermaßen geräumige Küche ging, stolperte ich über ein fast vollständiges Baguette, das unter einem Küchenhandtuch verborgen war. Weitere Nachforschungen
förderten einen weiteren Laib – hallo? – im Brotkasten zutage. Und ein halbes Brioche auf dem Abtropfbrett.
    Aber ich konnte den Schaden – den damage  – nicht mehr rückgängig machen. Wir befanden uns bereits alle in den Klauen der Hysterie, der Angst, nicht genug Brot zu haben.
    Am folgenden Tag machten sich noch mehr Leute auf den offiziellen Trip zum Supermarché und kauften fünf Laibe. Später kamen Niall und Tadhg vom Golfspielen zurück, unter dem Arm mehrere zweieinhalb Meter lange Baguettes. Fünf Minuten darauf erschien Dad – wir hatten ihn schon den ganzen Vormittag über vermisst. Allem Anschein nach war er die drei Kilometer bis ins Zentrum von Cannes gewandert und hatte sich ebenfalls mit Brot beladen.
    Jetzt hatten wir natürlich viel zu viel, aber es reichte trotzdem nicht. Es war, als wären wir blind, als könnten wir einfach nicht sehen, was wirklich da war, und als wäre das Heranschleppen das einzig Wichtige. (Garantiert könnte man daraus irgendeine Metapher über das Leben als solches ableiten, wenn ich Bock darauf hätte, sie aufzuspüren.)
    Am folgenden Tag erreichte die Situation die Hochwassermarke. Ich war nicht da (sondern im Spa des Hotel Martinez, aber das ist eine andere Geschichte), aber Dad nahm seine Darbietung des Generals mit den Niederlagenneuigkeiten erneut in den Spielplan auf. Es gab KEIN BROT!
    Wieder einmal zeigte sich, dass Ljiljana ihren Titel Die tollste Frau der Welt (eingetragenes Warenzeichen) mehr als verdient hat, denn sie erbot sich, Brot zu backen . Aus irgendwelchen Gründen hatte sie eine Packung Brotmischung dabei. Und als ich – aus allen Poren nach Lavendelöl duftend – in die Küche zurückkehrte, in der sich das Brot zu stapeln schien, bot sich mir der absurde Anblick von Ljiljana, die auch noch Brot backte !
    Inzwischen habe ich erkannte, dass es nicht nur daran liegt, dass meine Familie verrückt ist – obwohl das natürlich auch stimmt –, sondern dass die Angst, nicht genug Brot zu haben, ein

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