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Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)

Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)

Titel: Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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während man mit der ganzen Familie in einer Villa am Ortsrand von Cannes festsitzt.
     
    Es begann sogar noch vor unserer Abreise. Ungefähr eine Woche, bevor wir losfahren wollten, rief meine Mutter an. Sie klang sehr besorgt.
    »Weißt du, wenn wir in dem Haus in Südfrankreich sind – sollten wir da nicht eine Gemeinschaftskasse organisieren?«
    Das verblüffte mich, denn wenn man etwas von meiner Familie unbesehen behaupten kann, dann ist es, dass jeder gern sein eigenes Zeug bezahlt. Manchmal wird diese Einstellung sogar zum Problem. Nun sollten zehn Erwachsene und zwei Kinder eine Woche gemeinsam in besagtem Haus verbringen und alle würden ihr Möglichstes tun, nicht nur lebensmitteleinkaufsmäßig ihre Runden zu schmeißen, sondern dies auch noch möglichst jeder als Erster. Daran erinnerte ich Mammy Keyes, aber sie ließ sich nicht abwimmeln. »Was ist, wenn ich zum Frühstück runterkomme, und dann hat jemand mein ganzes Brot aufgegessen, und ich kann mir keinen Toast machen?«
    Da verstand ich endlich. Sie meinte keine Gemeinschaftskasse, sie meinte das Selbstbestimmungsrecht über die Lebensmittel. Irgendwie verständlich: In meiner Familie sind alle mittlerweile erwachsen
und daran gewöhnt, allein oder mit einer kleinen, überschaubaren Anzahl anderer Menschen zusammenzuleben, die man mit Argusaugen überwachen und bei denen man dafür sorgen kann, dass sie ihre Finger von dem Brot lassen, das man gern selbst essen möchte. Nun aber waren wir auf einmal mit einer Situation konfrontiert, in der es ringsum wesentlich mehr andere hungrige Menschen gab, und es würde schwierig werden, sie alle im Auge zu behalten.
    Aber was für einen Vorschlag hatte Mammy K. da gemacht? Sollte jeder in dem französischen Kühlschrank ein Fach für sein eigenes Essen kriegen, wie in einer Wohngemeinschaft? Vielleicht sogar Zettelchen auf die Sachen kleben? »Tadhgs Butter. Ist genau abgewogen!« Oder (wir sind schließlich in Frankreich!) »Les Müllers Joghurts de Marian. Ne touchez pas!«
    Ich versuchte, meine Mutter davon zu überzeugen, dass sich das alles von allein ergeben würde. Aber offensichtlich blieb ich erfolglos, denn kurz darauf kam mir das Gerücht zu Ohren, dass sie zusammen mit Sommerkleidern, Sandalen, Sonnencreme etc. auch noch eine Packung Schnittbrot im Koffer mitnehmen wollte. Angeblich (meiner Quelle zufolge) hatte sie vor, das Brot die Woche über unter Verschluss zu halten und die Schatztruhe nur einmal täglich zu öffnen, um zwei Scheiben herauszunehmen und zum Frühstück für sich zu toasten. Stolz würde sie an den ganzen hungrigen Horden vorbeidefilieren – die zu eingebildet oder zu töricht gewesen waren, um wie sie vorauszudenken – und sich in aller Seelenruhe ihren Toast machen. Als ich sie mit meiner Information konfrontierte, wollte sie ihr Vorhaben weder bestätigen noch abstreiten. Aber als ich die Vorliebe meines Neffen Luka für ALT (anderer Leute Toast – das ist Ambrosia für ihn, unbeschreiblich köstlich dank der Tatsache, dass er jemand anderem gehört) erwähnte und dass sie garantiert nicht widerstehen könnte, ihm
etwas abzugeben – weil ihm nämlich nie jemand etwas abschlagen kann –, da merkte ich, wie sie im Kopf Berechnungen anstellte, ob sie genug Brot eingeplant hatte, um Luka jeden Tag eine Scheibe davon abzugeben. Offensichtlich war das Ergebnis positiv, denn ihre umwölkte Stirn hellte sich auf, und der heitere Ausdruck von »Ich habe mein eigenes Brot« hielt in ihrem Gesicht Einzug.
    An einem Samstag Anfang September gingen wir zwölf Mann hoch in einem wunderschönen Haus am Ortsrand von Cannes nieder. Wir kamen aus allen drei Ecken des Globus – aus Prag, wo mein Bruder mit seiner Frau Ljiljana und ihren beiden Kindern lebt, aus New York, wo meine Schwester Caitríona wohnt, und aus Dublin, wo der Rest der Familie residiert.
    Wir überstanden das erste Abendessen, ohne dabei einmal das Wort Brot in den Mund zu nehmen, denn die Verwalterin hatte uns ein Mahl zubereitet, das so köstlich war, dass wir an nichts anderes denken konnten. Am nächsten Morgen machten mein Herzallerliebster und ich uns bereit, um im Supermarché Proviant für alle zwölf zu kaufen. Jeder hatte irgendwelche Sonderwünsche – Ziegenkäse, Trinkschokolade, Müsliriegel, Früchteriegel Schwarze Johannisbeere (für mich) –, aber selbst in unseren kohlehydratphobischen Zeiten war Brot das, was die verschiedenen Geschmäcker verband. Alle wollten Brot. Das war auch gut so,

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