Pretty - Erkenne dein Gesicht
hatte, war verflogen und hatte Platz gemacht für Tallys Wut auf sich selbst, weil sie so lange gewartet hatte. Die allzeit lauschenden Manschetten machten es einfach zu leicht, unangenehmen Themen aus dem Weg zu gehen.
"Also, was ist zwischen dir und Shay passiert?", fragte Zane. Seine Stimme war noch immer sanft, wies aber einen Unterton von Verärgerung auf.
"Ihre Erinnerungen setzen wieder ein." Tally starrte in eine lehmige Pfütze zu ihren Füßen und sah zu, wie Tropfen aus den durchnässten Fichten den Wasserspiegel verzerrten. "An dem Abend des Durchbruchs war sie richtig wütend auf mich. Sie gibt mir die Schuld dafür, dass die Specials Smoke gefunden haben. Und da hat sie wohl auch Recht. Ich habe Smoke verraten."
Er nickte. "Das hab ich mir schon gedacht. Die ganzen Geschichten, die ihr beide erzählt habt - ehe wir das Heilmittel hatten da ging es immer darum, dass du sie aus Smoke gerettet hast. Und das klingt doch wie die Pretty-Version für Verrat."
Tally schaute zu ihm auf. "Du hast es also gewusst?"
"Dass du dich im Auftrag der Specials dort eingeschlichen hast? Ich hab es mir gedacht."
"Ach." Tally wusste nicht, ob sie erleichtert sein oder sich schämen sollte. Natürlich hatte Zane auch selber für Dr. Cable gearbeitet, deshalb würde er sie vielleicht verstehen. "Ich wollte das nicht, Zane. Ich meine, zuerst bin ich hingegangen, um Shay zurückzuholen, damit auch ich zur Pretty werden könnte, aber dann habe ich mir die Sache anders überlegt und wollte in Smoke bleiben. Ich habe versucht das Peilgerät zu zerstören, das sie mir mitgegeben hatten, aber dabei hab ich es versehentlich aktiviert. Sogar als ich das Richtige tun wollte, hab ich alle verraten."
Zane schaute sie an, seine Augen leuchteten unter seiner Kapuze. "Tally, wir alle werden von den Leuten manipuliert, die in dieser Stadt das Sagen haben. Das müsste Shay doch wissen."
"Ich wünschte, das wäre alles", sagte Tally. "Ich habe ihr auch noch David weggenommen. Als wir in Smoke waren."
"Ach, schon wieder der." Zane schüttelte den Kopf. "Na, da gehe ich davon aus, dass sie im Moment stinksauer auf dich ist. Und das wird sie doch immerhin prickelnd bleiben lassen."
"Ja, wahnsinnig prickelnd." Tally schluckte. "Und dann ist da noch etwas, das sie wütend gemacht hat."
Er wartete schweigend und der Regen tropfte von seiner Kapuze.
"Ich hab ihr von dem Heilmittel erzählt."
"Du hast was getan?" Zanes Flüstern durchschnitt den Regen wie das Zischen von Dampf.
"Mir blieb nichts anderes übrig." Tally hob flehend die Hände. "Sie hatte es schon halbwegs selbst erraten, Zane, und dachte, sie könnte sich selbst heilen. Sie ist wie wir auf den Valentino-Mast geklettert, weil sie glaubte, das hätte uns verändert. Aber das hat natürlich nicht gewirkt, nicht so wie die Pillen. Sie hat mich immer wieder gefragt, was mit uns passiert sei. Sie hat gesagt, ich sei ihr diese Antwort schuldig, nach allem, was ich ihr in unseren Ugly-Zeiten angetan habe."
Zane stieß eine leise Verwünschung aus. "Du hast ihr also von den Pillen erzählt? Klasse. Dann haben wir noch was, das schiefgehen kann."
"Aber sie ist total prickelnd, Zane. Ich glaube nicht, dass sie uns verraten wird", sagte Tally, dann zuckte sie mit den Schultern. "Wenn überhaupt, dann hat das mit den Pillen sie so wütend gemacht, dass sie ihr Leben lang prickelnd bleibt."
"Wütend? Weil du geheilt bist und sie nicht?"
"Nein." Tally seufzte. "Weil du geheilt bist."
"Was?"
"Ich stand in ihrer Schuld, aber du hast die zweite Pille bekommen."
"Aber wir hatten doch keine Zeit, um ..."
"Das weiß ich, Zane. Aber sie weiß es nicht. Für sie sieht es so aus, als ob ..." Sie schüttelte den Kopf und spürte heiße Tränen in ihren Augen. Alles andere an ihr war kalt, ihre Finger verloren langsam jedes Gefühl. Sie fing an zu zittern.
"Ist schon gut, Tally." Zane streckte die Hand aus, griff nach ihrer und drückte sie durch den dicken Handschuh.
"Du hättest sie hören müssen, Zane. Sie hasst mich wirklich."
"Hör mal, das tut mir leid. Aber ich bin froh, dass ich es war."
Sie schaute auf und die Tränen ließen ihre Sicht verschwimmen. "Ja. Danke für die vielen Kopfschmerzen, meinst du."
"Besser das, als ein Pretty-Gehirn zu bleiben", sagte er. "Aber so hab ich das nicht gemeint. An dem Tag haben wir ja nicht nur die Pillen gefunden. Ich bin froh wegen ... dir und mir."
Sie schaute auf und entdeckte, dass er lächelte. Seine Finger, die noch immer mit ihren
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