Pretty Little Liars - Herzlos: Band 7
Zementklumpen. Ein paar Fetzen Polizeiband waren auf den ungefähr in drei Meter Tiefe liegenden Boden gefallen. Obwohl Alis Leiche schon lange nicht mehr hier lag, sah Aria eine Kuhle im Boden, wo augenscheinlich lange, lange Zeit etwas Schweres gelegen hatte.
Sie schloss die Augen. Ali hatte jahrelang dort unten gelegen, unter einer dicken Schicht Zement. Sie war langsam
verrottet. Die Haut war ihr von den Knochen gefallen, ihr schönes Gesicht war verwest. Lebendig war Ali bezaubernd gewesen, ein Mädchen, das man einfach ansehen musste. Aber ihr Tod hatte sie still und unsichtbar gemacht. Jahrelang war sie in ihrem eigenen Hintergarten verborgen und hatte das Geheimnis jener Nacht mit ins Grab genommen.
Aria griff nach Noels Hand. Er trat näher zu ihr heran, schlang seine Finger um ihre und drückte sie.
Esmeralda stand eine unendliche Weile völlig bewegungslos am Rand des Lochs und atmete tief und guttural. Sie drehte ihren Kopf und wippte auf den Fersen vor und zurück. Dann begann sie sich zu winden. Es sah aus, als infiltriere etwas ihren Körper, dringe unter ihre Haut und mache es sich dort bequem. Aria stockte der Atem. Noel schaute fasziniert zu. Als Aria einen Moment lang den Blick von Esmeralda abwandte, sah sie Licht in Spencers Schlafzimmer im Haus nebenan. Spencer stand am Fenster und starrte auf sie herunter.
Schließlich hob Esmeralda den Kopf. Erstaunlicherweise wirkte sie plötzlich viel jünger, und auf ihrem Gesicht erschien der Hauch eines Grinsens. »Hi«, sagte sie mit einer völlig veränderten Stimme.
Aria keuchte und auch Noel zuckte zusammen. Es war Alis Stimme.
»Du wolltest also mit mir reden«, sagte Esmeralda-Ali. Sie klang gelangweilt. »Du hast nur eine Frage, also überleg sie dir gut.«
In der Ferne heulte ein Hund. Auf der anderen Straßenseite knallte eine Haustür zu, und als Aria sich umdrehte, glaubte sie, Jenna Cavanaugh in ihrem Wohnzimmer zu erkennen. Stieg aus dem Loch der Geruch von Vanilleseife auf? War Ali wirklich hier und sah sie durch die Augen dieser Frau an? Was sollte Aria sie fragen? Ali hatte so viele Geheimnisse vor ihnen gehabt – ihre Affäre mit Ian, die Probleme mit ihrem Bruder, die Wahrheit über Jennas Unfall und die Möglichkeit, dass Ali gar nicht so glücklich war, wie alle glaubten. Aber es gab nur eine einzige, wirklich wichtige Frage.
»Wer hat dich getötet?«, fragte Aria schließlich mit leiser, zitternder Stimme.
Esmeralda rümpfte die Nase, als sei dies die dümmste Frage der Welt. »Willst du das wirklich wissen?«
Aria beugte sich vor. »Ja.«
Das Medium senkte den Kopf. »Ich habe Angst, es auszusprechen«, sagte sie immer noch mit Alis Stimme. »Ich muss es aufschreiben.«
»Okay«, sagte Aria schnell.
»Und dann müsst ihr gehen«, fuhr Esmeralda-Ali fort. »Ich will euch nicht mehr bei mir haben.«
»Kein Problem«, sagte Aria tonlos. »Machen wir.«
Esmeralda griff in ihre Tasche und zog ein kleines, in Leder gebundenes Notizbuch und einen Kugelschreiber heraus. Sie kritzelte eilig etwas, faltete das Blatt zusammen und gab es Aria. »Und jetzt geht«, knurrte sie dann.
Aria wich eilig zurück und stolperte beinahe über ihre
Füße. Auf tauben Beinen rannte sie zu Noels Auto. Noel war direkt hinter ihr, zog sie an sich und hielt sie ganz fest. Einen Moment lang waren beide zu überwältigt, um zu sprechen. Aria starrte wieder zu dem Ali-Schrein. Die Flamme einer einzelnen, etwas abseits stehenden Kerze beleuchtete Alis Schulbild aus der siebten Klasse. Ihr breites Lächeln und ihre starren Augen ließen sie plötzlich ganz besessen aussehen. Aria dachte an die Geschichte, die Noel vorher erwähnt hatte – »Der Untergang des Hauses Usher«. Genau wie die Schwester in der Geschichte, die in ihrem eigenen Haus vergraben war, hatte auch Alis Leiche drei lange Jahre unter dem Zement gelegen. Entfleuchte die Seele eines Menschen in dem Moment, in dem er starb … oder erst viel später? Hatte Alis Seele ihren Körper nach ihrem letzten Atemzug verlassen – oder erst, als die Arbeiter ihre verrottete Leiche ausgruben?
Sie hielt immer noch den Zettel umklammert, den Esmeralda ihr gegeben hatte. Langsam faltete sie ihn auf. »Willst du einen Moment allein sein?«, fragte Noel leise.
Aria schluckte. »Nein, bleib.« Sie brauchte ihn, denn sie hatte zu viel Angst, um den Zettel allein zu lesen.
Das Papier knisterte, als sie es glatt strich. Die Schrift war rund und geschwungen – Alis Handschrift. Langsam las Aria die
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