Pretty Little Liars - Herzlos: Band 7
hatte. Aber das Bild veränderte sich schon wieder und jetzt war die Person, die sie für Jason gehalten hatte, plötzlich kleiner, schmaler, weiblicher.
Wann war ihre Mutter in jener Nacht wieder nach Hause gekommen? Hatte sie ihrem Vater mit seiner Affäre konfrontiert
– und ihm ihre eigene Tat gestanden? Vielleicht hatte er deshalb der Stiftung, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, Ali zu finden, eine solch exorbitante Summe gespendet. Eine Familie, die so großzügig die Suche nach Ali finanzierte, würde niemand des Mordes an ihr verdächtigen.
Spencers Handy piepste und sie zuckte zusammen. Schwer schluckend griff sie nach dem Telefon. Eine neue SMS.
Deine Schwester verlässt sich
darauf, dass du das Richtige
tust, Spence. Wenn nicht, klebt
ihr Blut an deinen Händen.
– A.
»Wer war das?«, fragte Spencers Mom und bremste langsam vor einer roten Ampel. Sie löste ihren Blick von dem SUV, das vor ihr stand, und schaute zu Spencer.
Die legte schnell die Hand über das Display ihres Handys. »Niemand.« Die Ampel schaltete auf Grün und Spencer kniff wieder die Augen zusammen.
Deine Schwester. Spencer hatte viel Zeit damit verschwendet, wütend auf Ali zu sein, aber das war plötzlich Schnee von gestern. Sie und Ali hatten denselben Vater gehabt, dasselbe Blut. Sie hatte in jenem Sommer mehr als nur eine Freundin verloren – sie hatte eine Verwandte verloren. Eine Halbschwester.
Ihre Mutter verließ die Hauptstraße und parkte auf dem Parkplatz von Otto, dem ältesten und besten Italiener von Rosewood. Aus dem wie eine Grotte gestalteten Restaurant drang goldenes Licht nach draußen und Spencer vermeinte fast, schon im Auto den typischen Duft von Knoblauch, Olivenöl und Rotwein zu riechen. »Wir gehen Abend essen?«, fragte sie verunsichert.
»Nicht nur«, sagte ihre Mom und schürzte die Lippen. »Komm.«
Der Parkplatz war voll und Spencer sah zwischen all den Limousinen und Trucks auch zwei Rosewooder Streifenwagen. Hinter ihnen stiegen gerade blonde Zwillinge aus einem schwarzen SUV. Sie waren ungefähr dreizehn und trugen beide Daunenjacken, weiße Wollmützen und identische Jogginghosen mit der Aufschrift »Kensington Prep Feldhockey«. Spencer und Ali hatten auch manchmal gleichzeitig ihre Hockey-Hosen getragen. Hatte man sie dann auch für Zwillinge gehalten? Spencer rang nach Atem.
»Mom«, sagte sie mit brechender Stimme.
Ihre Mutter schaute sie an. »Ja?«
Sag irgendwas, schrie eine Stimme in Spencers Kopf. Aber ihr Mund war wie zugenäht.
»Da sind sie!« Ihre Mutter drehte sich um und lief los. Zwei Gestalten standen auf der anderen Seite des von Flutlicht erhellten Parkplatzes und winkten ihnen fröhlich zu. Mr Hastings trug nicht mehr seinen Arbeitsanzug, sondern ein blaues Polohemd, Kakihosen und eine offene
Lederjacke. Neben ihm stand Melissa und lächelte. Sie trug ein blaues Kleid mit Tulpenrock und eine Satinhandtasche unter dem Arm. »Sorry, dass ich dich nicht zurückgerufen habe«, sagte sie, als Spencer vor ihr stand. »Ich hatte Angst, wenn wir miteinander reden, versau ich dir die Überraschung.«
»Die Überraschung?«, blökte Spencer abgelenkt. Sie schaute wieder zu den Streifenwagen. Sag etwas, schrie die Stimme in ihrem Kopf. Deine Schwester zählt auf dich!
Ihre Mom deutete in Richtung Tür. »Sollen wir reingehen? «
»Definitiv«, stimmte ihr Vater zu.
»Wartet«, schrie Spencer.
Alle blieben stehen und drehten sich um. Die Haare ihrer Mutter glänzten im Neonlicht. Die Wangen ihres Dads waren vor Kälte gerötet. Beide lächelten sie erwartungsvoll an. Und plötzlich begriff Spencer, dass ihre Mutter keine Ahnung hatte, was Spencer gleich sagen würde. Sie hatte das Foto von Mrs DiLaurentis in Spencers Hand nicht gesehen. Sie hatte auch nicht mitbekommen, dass Spencer und Ian nur wenige Sekunden zuvor miteinander gechattet hatten. Zum ersten Mal in Spencers Leben taten ihre Eltern ihr leid. Sie hätte am liebsten eine Decke über sie geworfen und sie vor dieser Situation beschützt. Hätte sie doch nur nie die Wahrheit herausgefunden.
Aber das hatte sie nun einmal.
Und deshalb musste sie reden.
»Warum habt ihr das getan?«, fragte sie leise.
Mrs Hastings machte einen Schritt nach vorne und ihr Schuh landete mit einem Klacken auf dem steinernen Gehweg.
»Was getan?«
Spencer fiel auf, dass in beiden Streifenwagen Polizisten saßen. Sie senkte die Stimme und sprach ihre Mutter direkt an. »Ich weiß, was in der Nacht von Alis Tod passiert ist. Du
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