Pretty Little Liars - Mörderisch: Band 6
Schatten wanderte über die Wand und Emily schaute an die rissige Decke. Eine Spinne saß in ihrem großen, fein gesponnenen Netz. In der Seide hatte sich etwas Schwarzes verfangen, wahrscheinlich eine Fliege.
Hier drinnen war es viel zu gruselig. Emily drehte sich um und wollte sich vorsichtig an den Büchern und Zeitschriften auf dem Boden vorbei wieder zur Tür begeben. Da fiel ihr etwas ins Auge. Zu ihren Füßen lag ein aufgeschlagenes Buch mit einer in dunkelblauer Tinte geschriebenen Liste von Namen. Es sah aus wie ein Anmelderegister. Die Seite war in Spalten aufgeteilt, die Name, Datum, Einlass und Auslass betitelt waren. Ein Name war …
Emily kniete nieder. Sie war sich sicher – und sie hoffte –, dass sie sich getäuscht hatte. Vor ihren Augen verschwamm alles. »Oh mein Gott«, flüsterte sie. Ein Name in dem Buch lautete Jason DiLaurentis . Er tauchte auf der Seite dreimal auf, zuerst am 6. März, dann am 13. März und am 20. März. Mit jeweils einer Woche Abstand. Emily blätterte um. Wieder stand Jasons Name dort, am 27. März, am 3. April, am 10. April. Er hatte sich morgens an- und abends abgemeldet. Sie blätterte immer schneller um. Jasons Name tauchte wieder und wieder auf. Er hatte sich am 19. April, Emilys Geburtstag, eingetragen. Das Datum war acht Jahre her. Emily rechnete zurück – sie war neun Jahre alt geworden und ihr Geburtstag war auf einen Samstag gefallen. In diesem Jahr hatten Emilys Eltern sie und ihre Freundinnen aus der Schwimmmannschaft ins All That Jazz!, ihr ehemaliges Lieblingsrestaurant in der King James Mall ausgeführt. Sie war in der dritten Klasse gewesen. Ali war zu
Beginn dieses Schuljahres an die Rosewood Day gekommen, weil ihre Familie von Connecticut hierher gezogen war.
Sie griff nach dem nächsten Anmeldebuch. Jasons Name tauchte bis zum Sommer zwischen Emilys fünftem und sechstem Schuljahr in regelmäßigen Abständen immer wieder auf. Er war auch am Wochenende nach dem ersten Schultag von Emilys sechstem Schuljahr hier gewesen. Ein paar Tage später hatte die Schule den Beginn des Zeitkapsel-Spiels angekündigt. Sie blätterte zu der Seite, die das Wochenende markierte, an dem sie und ihre Freundinnen in Alis Garten gewesen waren, um ihre Flagge zu stehlen. Jasons Name stand nicht da.
Sie blätterte zum nächsten Wochenende vor, an dem Ali sie alle beim Rosewood-Day-Wohltätigkeitsflohmarkt angesprochen hatte und sie ihre neuen besten Freundinnen wurden. Kein Jason. Sie blätterte weiter. Sein Name tauchte nicht mehr auf. Das Wochenende nach dem ersten Schultag markierte seinen letzten Eintrag im Anmeldebuch.
Emily ließ das Buch auf ihren Schoß sinken. Ihr war schwindelig. Was hatte Jason DiLaurentis’ Name in einem Buch in diesem dunklen, schimmligen Büro zu suchen? Sie dachte an den Witz, den Ali vor Jahren gemacht hatte: Sie sollten ihn in die Klapse stecken, wo er hingehört.
Hatte sie das etwa doch ernst gemeint? War Jason hier als externer Patient gewesen? Vielleicht hatte Ali davon gesprochen, als sie Jenna gegenüber Probleme mit Geschwistern erwähnte. Vielleicht hatte Ali ihr gesagt, dass Jason so große Probleme hatte, dass er in einer Einrichtung behandelt werden musste. Und vielleicht hatten sich Jenna und Jason gestern Nacht ja darüber gestritten. Er wollte sichergehen, dass Jenna dies keiner Menschenseele erzählte.
Sie dachte daran, wie Jasons Gesicht sich verzerrt hatte und er tiefrot geworden war, als er dachte, sie habe sein Auto verbeult. Er war so dicht vor ihr gestanden, dass seine Wut beinahe greifbar wirkte. Wozu war Jason wirklich fähig? Und was verbarg er?
Emily hörte Schritte auf dem Flur. Sie erstarrte. Dann ging leise die Tür auf und ein Schatten erschien im Türrahmen. Emily begann zu zittern. »H-hallo?«, krächzte sie.
Isaac trat ins Licht. Er trug einen weißen Caterer-Anzug und schwarze Schuhe. Wahrscheinlich ließ sein Vater ihn nun doch arbeiten, jetzt, da er kein Date mehr hatte.
Sie wich zurück. Ihr Herz klopfte.
»Ich dachte, ich hätte dich hier raufgehen sehen«, erklärte er.
Emily schaute wieder auf das Buch – es war schwierig, sich von Jason auf Isaac umzustellen. Sie senkte den Kopf, weil sie seinem Blick nicht begegnen wollte. Alles, was sie gestern Abend zueinander gesagt hatten, schoss ihr viel zu deutlich durch den Kopf.
»Ich glaube, du dürftest gar nicht hier sein«, sagte Isaac. »Mein Dad sagt, der Flur sei nur für Angestellte zugänglich.«
»Ich wollte gerade gehen«,
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