Pretty Little Liars - Mörderisch: Band 6
murmelte Emily und wollte aufstehen.
»Warte.« Isaac setzte sich auf die Lehne der staubigen Ledercouch, auf der sie immer noch saß. Ein paar Sekunden vergingen. Er seufzte. »Das Foto, von dem du mir erzählt hast. Das, auf dem dein Gesicht rausgeschnitten wurde? Ich habe es gestern Nacht gefunden. In der Küchenschublade, in der wir allen möglichen Mist aufbewahren. I-ich habe meine Mom heute Morgen damit konfrontiert. Und sie ist total ausgeflippt.«
Emily riss den Mund auf. Sie traute ihren Ohren nicht. Isaac
sprang von der Couch und kniete sich vor sie hin. »Es tut mir so leid, Emily«, flüsterte er. »Ich bin ein Idiot – und jetzt habe ich dich wahrscheinlich verloren. Kannst du mir verzeihen? Bitte.«
Emily biss sich auf die Wange. Sie müsste sich jetzt eigentlich gut fühlen – oder wenigstens erleichtert –, aber sie fühlte sich noch schlechter als vorher. Es wäre so einfach, Isaac zu sagen, zwischen ihnen sei wieder alles in bester Ordnung und sie wolle weiterhin mit ihm zusammen sein. Aber was er gestern getan hatte, schmerzte sie sehr. Er hatte nicht einmal eine Sekunde lang in Betracht gezogen, dass sie die Wahrheit sagte. Er hatte sofort irgendwelche Schlüsse gezogen und war sicher gewesen, dass sie log. Und noch schlimmer war, dass er tatsächlich geglaubt hatte, sie wolle sich nur wichtig machen.
Sie vergrößerte den Abstand zwischen ihnen und hob das Buch auf. Der Umschlag war mit einer dicken Staub- und Rußschicht bedeckt. »Vielleicht kann ich dir irgendwann mal vergeben«, sagte sie leise. »Aber nicht heute.«
»W-was?«, schrie Isaac.
Emily schob sich das Buch unter den Arm und unterdrückte ihre Tränen. Sie hasste es, Isaac verletzen zu müssen, aber sie wusste, dass sie das Richtige tat. »Ich muss gehen«, sagte sie abrupt und stand auf.
Sie rannte so schnell sie konnte den Gang entlang und die Treppe hinunter. Auf dem Absatz hörte sie ein vertrautes Kichern, das irgendwo aus dem Ballsaal kam. Sie zog den Bauch ein und sah sich nervös um. Die Menge bewegte sich, und das Lachen erstarb. Die einzige Person, die Emily im Ballsaal erkannte, war Maya. Sie lehnte an der Wand, trank einen Martini und starrte Emily unverwandt an. Der Hauch eines Lächelns umspielte ihre vollen, glänzenden Lippen.
Kapitel 27
DÉJÀ-VU …
Hanna rutschte über den glatten Marmorboden und kam zum Stehen. Dieses Hotel war ein Irrgarten. Irgendwie hatte sie es geschafft, im Kreis zu laufen und stand nun wieder vor dem deckenhohen Wandteppich mit Napoleons Abbild. Sie sah nach rechts und links, sie suchte Mike. Die Anzahl an Partylöwen war derart groß, dass sie ihn nirgendwo ausmachen konnte.
Sie lief durch den Thronsaal und hörte eine vertraute Stimme.
Drinnen hatte sich Noel Kahn über dem großen, samtenen Thron drapiert und schüttelte sich aus vor Lachen. Er hatte einen umgedrehten Sektkühler auf dem Kopf, eine behelfsmäßige Krone.
Hanna knurrte. Es war unglaublich, mit was Noel auf Rosewood-Partys durchkam, nur weil seine Eltern die Stadt finanzierten.
Sie marschierte zu ihm und knuffte ihn in den Arm. Noel drehte sich zu ihr und seine Miene hellte sich auf. »Hanna!« Er roch, als hätte er eine ganze Badewanne Tequila getrunken.
»Wo ist Mike?«
Noel warf seine Beine über den Stuhl. Seine Hosenbeine schoben sich etwas nach oben, wodurch blaurote Schottenkaro-Socken zum Vorschein kamen. »Keine Ahnung. Aber ich sollte dich küssen.«
Igitt. »Warum?«
»Weil«, lallte er, »du mir fünfhundert Mäuse eingebracht hast.«
Sie machte einen Schritt zurück. »Wie bitte?«
Noel hob seinen Cocktail, ein rötliches Getränk, das sehr nach Red Bull und Wodka aussah, an die Lippen. Flüssigkeit tröpfelte sein Hemd hinunter und lief auf den Stuhlsitz. Ein paar Quäker-Schulmädchen, die auf mit Paisleymustern gepolsterten Schemeln saßen, stießen sich gegenseitig in die Seiten und kicherten. Fanden die Noel wirklich heiß ? Im echten Versailles wäre Noel nicht Louis XIV. gewesen, sondern die französische Version des Hofnarren.
»Das gesamte Lacrosse-Team hatte eine Wette laufen. Es ging darum, wen Mike dazu überreden könnte, ihn zum Ball zu begleiten«, erklärte Noel. »Dich oder deine scharfe Stiefschwester. Ich werde Mike die Hälfte meines Gewinns abgeben, weil er so brav mitgemacht hat.«
Hanna fuhr mit den Händen über ihre Zeitkapsel-Flagge, die sie an die Kette ihrer Chanel-Brieftasche gebunden hatte. Sie spürte, wie ihr die Farbe aus dem Gesicht wich.
Noel
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