Pretty Little Liars - Mörderisch: Band 6
Wenn sie es nicht getan hätte, wäre ihre geheime Bulimie-Vergangenheit von Kate ans Licht gebracht worden.
Aber plötzlich erinnerte sich Hanna daran, wie geschockt Kate ausgesehen hatte, als Hanna die Herpes-News verkündete. Sie hatte Hanna so hilflos angeguckt, als habe sie dieser Verrat völlig aus dem Nichts getroffen. War es möglich, dass Kate gar nicht vorgehabt hatte, an jenem Abend Hannas Geheimnis auszuplaudern? Konnte das, was ihr Dad gesagt hatte – dass Kate ihre Freundin sein wollte –, wirklich wahr sein?
Aber nein. Nein.
Hanna sah Kate direkt an. »Du wolltest Mike, aber ich hab ihn gekriegt.« Sie sagte es lauter als beabsichtigt. Ein paar Leute drehten sich um und starrten sie an. Ein feister Mann in einem Smoking, vermutlich ein Rausschmeißer, sah Hanna warnend an.
Kate schob ihre Hüfte vor. »Willst du wirklich so sein, Hanna?«
Hanna schüttelte den Kopf. »Ich habe gewonnen!«, schrie sie. »Du hast verloren!«
Kate schaute über Hannas Schulter und ihre Miene veränderte sich. Hanna folgte ihrem Blick. Mike hielt zwei Martinis in
den ausgestreckten Händen. Einen für sich, und Nachschub für Hanna. Seine Augen waren unglaublich blau. Er sah Hanna an, als verstünde er ganz genau, was gerade passiert war. Bevor sie ein Wort sagen konnte, stellte er Hannas Drink vorsichtig neben ihren halb ausgetrunkenen und drehte sich ohne ein Wort um. Mit kerzengeradem Rücken verschwand er in der Menge.
»Mike!«, brüllte Hanna ihm nach, raffte ihren Rock zusammen und rannte ihm nach. Mike glaubte jetzt, sie hätte nur vorgegeben, ihn zu mögen – aber vielleicht stimmte das ja gar nicht. Mike war lustig und ganz er selbst. Wahrscheinlich passte er viel besser zu ihr als alle anderen Jungs, die sie je gedatet hatte. Das würde erklären, warum sie Schmetterlinge im Bauch hatte, wenn er in der Nähe war, warum sie dümmlich lächelte, wenn er ihr eine SMS schrieb, warum ihr Herz so geklopft hatte, als er sie auf der Veranda beinahe küsste. Und es erklärte, warum Hanna heute Abend so melancholisch gewesen war – sie wollte nicht, dass dieses Spiel endete.
Mit klopfendem Herzen blieb sie am anderen Ende des Ballsaals stehen und sah sich suchend um. Mike war verschwunden.
Kapitel 26
DA HAT JEMAND EIN GEHEIMNIS
Emily stand auf der breiten Steinveranda vor dem Eingang des Radley und beobachtete, wie die Limousinen in die runde Einfahrt rollten. Es roch nach einer bunten Mischung teurer Parfums, und ein Fotograf tänzelte zwischen den Neuankömmlingen herum und schoss Bilder. Jedes Mal, wenn der Blitz aufleuchtete, dachte Emily an die gruseligen Fotos von A., die Ali, Jenna und Naomi in Alis Garten zeigten. Oder Darren Wilden, der aus dem Beichtstuhl kam. Und dann war da noch Jason DiLaurentis, der sich im Wohnzimmer der Cavanaughs mit Jenna gestritten hatte. Warum ist ER wohl so wütend? Was bedeutete das alles? Was wollte A. ihr damit sagen?
Sie zog ihr Handy aus der Tasche und schaute noch einmal nach, wie spät es war. Es war Viertel nach acht, und Aria hätte sie eigentlich vor einer Viertelstunde am Eingang treffen sollen. Ungefähr eine Stunde nach ihrem unangenehmen Telefongespräch heute Morgen hatte Aria Emily zurückgerufen und gefragt, ob sie mit ihr zusammen auf die Radley-Party gehen wollte. Wahrscheinlich wollte Aria sich auf diese Weise dafür entschuldigen, dass sie Emily angeschrien hatte, und obwohl ihr nach dem Streit mit Isaac eigentlich nicht nach Feiern zumute war, hatte Emily widerwillig zugestimmt. Sie hatten auch Spencer angerufen und gefragt, ob sie mitkommen wollte, aber
Spencer sagte, sie werde die ganze Nacht in der Scheune ihrer Schwester verbringen und Hausaufgaben machen.
Immer mehr Leute strömten durch die Türen des Radley und zeigten ihre Einladungen einem Mädchen mit Klemmbrett und Headset. Emily rief Aria an, aber die hob nicht ab. Sie seufzte. Vielleicht war sie ja schon drin. Emily beschloss, alleine hineinzugehen.
Im Hotel war es warm, und es roch nach Pfefferminze. Emily schlüpfte aus ihrem Mantel und reichte ihn der Garderobiere. Dann strich sie ihr trägerloses dunkelrotes Kleid glatt. Nachdem Isaac sie zu dieser Party eingeladen hatte, war sie in die Mall geeilt, hatte dieses Kleid anprobiert und sich vorgestellt, wie Isaac staunen würde, wenn er sie darin sah. Ausnahmsweise kaufte sie es, ohne auf das Preisschild zu achten. Und wofür? Gestern Nacht um zwei hatte sich Emily im Bett umgedreht und auf das kleine Display ihres Handys gestarrt,
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