Pretty Little Liars - Vogelfrei: Band 8
hätte dir niemals damit drohen dürfen, Melissa zu erzählen, dass ihr euch geküsst habt. Schließlich hatte ich ja eine Affäre mit ihm. Und ich hätte nicht sagen sollen, dass ich ihn dazu gebracht hätte, dich zu küssen. Das war überhaupt nicht wahr.«
Spencer knirschte mit den Zähnen. All die Scham und
Wut, die diesen Streit begleitet hatten, kochten wieder in ihr hoch. »Na, vielen Dank auch.«
»Ich war ein Miststück, ich weiß. Ich habe mich danach so mies gefühlt, dass ich mich nicht mehr mit Ian treffen wollte. Stattdessen habe ich mich in mein Zimmer verzogen. Du hast mich also quasi gerettet, Spence. Wenn wir uns nicht gestritten hätten, wäre ich in den Wald gelaufen und Billy zum Opfer gefallen.« Ali wischte sich die Augen mit einer Serviette trocken. »Und es tut mir schrecklich leid, dass ich dir nie gesagt habe, dass wir Halbschwestern sind. Ich hatte das erst kurz vor der Pyjamaparty erfahren und wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte.«
»Wie hast du es überhaupt herausgefunden?«, fragte Spencer schwach.
Der DJ legte eine Nummer von Lady Gaga auf und der ganze Klub jubelte begeistert auf. »Das ist doch jetzt egal. Wichtig ist, was ich dir gestern bei mir zu Hause gesagt habe: Ich will von vorne anfangen. Ich möchte, dass du die Schwester wirst, die ich mir immer gewünscht habe.«
Der Klub begann sich zu drehen. An der Bar drängte sich eine laute, durstige Masse Menschen. Spencer starrte auf das Mädchen, das ihr gegenübersaß. Sie musterte ihre zarten, rosigen Hände, ihre runden Fingernägel, ihren schlanken Hals. Konnte das wirklich Ali sein? Sie kam sich vor, als versuche sie, eine wirklich gut gemachte Fake-Handtasche von Fendi vom Original zu unterscheiden. Es musste doch Unterschiede geben.
Und doch … irgendwie ergab alles einen Sinn. Spencer hatte schon in dem Moment, als das Mädchen bei der Pressekonferenz
das Podium betreten hatte, ein komisches Gefühl. Die verschollene Zwillingsschwester hatte sie alle so intensiv und wissend angesehen. Sie hatte Emily Killer genannt und ihr Zimmer mit Alis Sachen eingerichtet. Sie wies alle Elemente von Alis Persönlichkeit auf, und das schaffte nicht einmal ein wirklich guter Imitator – nicht einmal eine Zwillingsschwester. Vor Spencer saß das Mädchen, das ihr bei dem Flohmarkt die Freundschaft angeboten hatte. Das ihr immer noch das Gefühl verlieh, sie sei etwas ganz Besonderes.
Aber dann dachte sie an die unheimlichen Fotos, die Billy am Abend der Pyjamaparty von ihnen gemacht hatte. Wenn Ali nicht so dagegen gewesen wäre, dass Spencer die Jalousien wieder hochzog, wenn sie nicht wie immer ihren Kopf hätte durchsetzen wollen, dann hätten die Mädchen erkannt, wer da vor dem Fenster gelauert hatte. Vielleicht wäre dann all das Schreckliche gar nicht passiert.
»Wir waren zwei Jahre lang jeden Tag zusammen. Wieso hast du uns nie von deiner Schwester erzählt?«, fragte Spencer, hob ihre Haare und ließ Luft an ihren Nacken. Es kam ihr vor, als seien gerade noch mal weitere hundert Menschen in den Klub gekommen. Sie fühlte sich eingesperrt und geriet in Panik, genau wie damals, als Melissa und sie am schwarzen Freitag in einem überfüllten Aufzug im Einkaufszentrum stecken geblieben waren.
Ali blies sich die blonden Ponyfransen aus dem Gesicht. »Meine Eltern hatten mich darum gebeten. Außerdem … habe ich mich geschämt. Ich wollte nicht, dass ihr mir unangenehme Fragen stellt.«
Spencer schniefte frustriert. »Fragen wie die, mit denen du uns gequält hast?«
Ali starrte sie hilflos an. Emily saugte an ihrer Unterlippe. Im Hintergrund dröhnte die Musik.
»Du kanntest all unsere Geheimnisse«, sagte Spencer mit zitternder Stimme. Ihre Wut wuchs so schnell wie ein Schneeball, der einen Hügel hinabrollt und dabei zur Lawine wird. »Du hast dieses Wissen ständig dazu benutzt, um uns kleinzuhalten, und du hattest Angst, du könntest deine Macht verlieren, wenn wir dein Geheimnis kennen.«
»Du hast recht«, gestand Ali. »Das stimmt wohl. Es tut mir leid.«
»Und warum hast du nicht versucht, mit uns Kontakt aufzunehmen, als du in der Klinik warst?«, fuhr Spencer vor Wut schäumend fort. »Wir waren deine besten Freundinnen. Du hättest uns etwas sagen müssen. Kannst du dir vorstellen, was wir durchgemacht haben, als du verschwunden bist?«
Alis Lippen bewegten sich, als suche sie nach einer Antwort. »Ich …«
Spencer unterbrach sie. »Hast du eine Ahnung, wie schrecklich das war?« Jetzt strömten
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