Price, Richard
parieren. Nach jedem Fehlschlag trottete sie zum
Zaun, um den pinkfarbenen Gummiball zu holen, warf ihn dann erneut, verpasste
ihn wieder, lief wieder hinterher, und ihr Gang glich dem eines gelangweilten
Kamels.
Strike lehnte sich gegen den Maschendraht, beobachtete
sie und erkannte an der Art, wie sie ihn nicht bemerkte, dass sie wusste, dass
er da war.
ShaRon war vor zwei Jahren in sein altes Schlafzimmer
gezogen und hatte ihn aufs Sofa verbannt, und Strike erinnerte sich an den Tag,
an dem er durch einen Brief auf Victors Schreibtisch von ihrer Schwangerschaft
erfahren hatte. Auf einer herausgerissenen Seite aus einem Spiralblock hatte
sie das Kind sozusagen formell begrüßt, ihm mitgeteilt, dass sie hoffe, es sei
hübsch, und das Heranwachsende in ihrem Bauch gefragt, ob es Angst habe, ihm
versichert, dass sie es liebe und sein Vater auch, und der Brief endete mit
einem Dutzend möglicher Namen, die meisten davon direkt aus einer Seifenoper.
Strike glaubte nicht, dass sich ShaRon und Victor
sonderlich mochten. Victor hatte sie geschwängert, und er hatte immer diese
unverrückbare Vorstellung gehabt, dass man verantwortlich sei und den Dreck
auch wegmachen müsse, den man verursacht habe, was entschieden mehr war, als
Strike über die meisten Typen sagen konnte, die er kannte. Außerdem vermutete
er, dass ShaRon einfach nur aus der Wohnung ihrer Mutter wegwollte, egal wie.
Strike hatte ShaRons Mutter einmal getroffen; sie war
eine ausgemergelte kettenrauchende Frau mit einem Gesicht wie eine Faust und
einer überraschend tiefen und scharfen Stimme. Doch der Auszug schien für
ShaRon auch nicht ansatzweise eine Lösung zu sein, und das Mädchen sah bei
ihrem Ballspiel heute genauso unglücklich aus wie beim ersten Mal, als Strike
sie vor nahezu zwei Jahren gesehen hatte.
Der Ball rollte dorthin, wo Strike stand, und ShaRon
hatte keine Chance, seinem Blick länger auszuweichen.
»Wie
geht's?« Strike blinzelte sie durch den Maschendraht an.
»Mir
geht's gut.«
»Wo ist
mein Bruder?«
»Arbeiten.«
»Im
>Hambone's«
»Bei dem
anderen Job. Ich weiß nicht.«
»Geht's
ihm gut?« Strikes Mund wurde bei der Frage trocken.
»Ich weiß
nicht. Ich nehm an, ja.«
»Alles in
Ordnung?«
»Ja ...«
»Wann hast
du ihn das letzte Mal gesehen?«
»Ich weiß
nicht, letzte Nacht, heute Morgen.«
»Alles war
in Ordnung, hmm?«
»Ich
nehm's an. Ich weiß nicht.«
Gefangen
zwischen der Verärgerung über ihre Leichenhaftigkeit und einem plötzlichen
Anflug von Besorgnis, wollte Strike ein bisschen deutlicher werden, wollte sie
ohne Umschweife fragen, ob sie wüsste, wer Darryl Adams ermordet hatte, aber
dann hatte er das Gefühl, dass sie einfach nicht genug Teil von Victors Welt
war, um das zu wissen, nicht mal für Vermutungen taugte sie. Er gab auf und
starrte das winzige Ding im Kinderwagen an. Ivan, sein Neffe - er hatte ihn
noch nie zuvor gesehen. Nein, das war Mark, Ivan war der Ältere.
»Mein
Bruder«, sagte Strike. »Sag ihm, er soll mich mal besuchen kommen.«
»Okay.«
Ihr Gesicht war leer wie das eines Mannequins. »Wenn er will. Du weißt schon,
wenn ihm danach ist.« ShaRon starrte ihn an und wartete darauf, dass er endlich
verschwand.
»Ja, schon
gut.« Strike ging davon, fragte sich, warum Victor sich wegen so einer den
Arsch aufriss, erinnerte sich an all die Abende, an denen seine Mutter von ein,
zwei Jobs nach Hause gekommen war und in der Küche umherwirbeln musste, um die
Teller zu spülen, die immer noch seit dem Frühstück in der Spüle standen,
während Sha-Ron glubschäugig und stumm am Küchentisch saß und ihr Baby auf dem
Schoß hielt. In der Minute, in der irgendeiner von ihnen von der Arbeit nach
Hause kam, fingen sie auf der Stelle damit an, aufzuräumen, um die Wohnung auf
Vordermann zu bringen - alle außer Sha-Ron, einer schmollenden
Neunzehnjährigen, die nicht im mindesten zu würdigen wusste, was Victor alles
für sie tat. Strike ließ zu, dass sein Zorn ihn jetzt übermannte, und seine
rechtschaffene Wut war beinahe eine Erleichterung: Zumindest war er in Gedanken
nicht bei Darryl.
Als er
wieder bei den Bänken war, quasselte Peanut noch immer, warf mit Herablassungen
um sich, The Word und Futon hörten mit offenen Mündern und glänzenden Augen zu
und warteten auf den nächsten Hammer. »Hey, hey, da geh ich doch heute Morgen
bei Horace vorbei, klopf an die Tür, kommt doch diese riesige verdammte Ratte
an die Tür, so zwei Meter groß ...«
»Eh,
Scheiß.« Futon
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