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Price, Richard

Price, Richard

Titel: Price, Richard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clockers
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Latschen.«
    Der Junge reckte den Hals und ließ das Club Soda in
einem dünnen vorsichtigen Strahl heraus.
    »Steck die Bürste in die Flasche und wasch sie aus, als
würdest du 'ne Schokomilch anrühren.«
    Strike nahm ihm die Flasche ab, versuchte, nicht auf
den weißlichen Schaum zu achten, und ließ sie in einem Gulli verschwinden.
    Wieder im Wagen, nahm Strike die Zahnbürste und die
kleine Tube Colgate und steckte dem Jungen beides in die Sweatshirttasche. »Wie
heißt du?«
    »Tyrone.«
Der Junge wich Strikes Blick aus. »Hier bin ich.« Strike schnippte mit den
Fingern, und der Junge zwang sich, ihn anzusehen. »Tyrone«, sagte er erneut.
    Strike
machte eine Show daraus, die Luft zwischen ihnen beiden zu schnüffeln. Er
lehnte sich zurück, nahm einen Schluck Yoo-Hoo, stieß etwas Galle auf und kämpfte
ein glühendes Stück des Feuers in seinem Bauch nieder.
    »Du
solltest deine Zähne echt zweimal am Tag putzen, Mann«, sagte Strike und
startete den Wagen. »Du musst gegen den Drachen ankämpfen.«
     
    Die Fahrt
nach New York dauerte nur dreißig Minuten, und während sie durch die
gekachelten, fluoreszierenden Kurven des Holland Tunnel bogen, saß der Junge
steif, unbeweglich und stumm neben Strike, während die Lichter in flackernden
Balken über sein versteinertes Gesicht fuhren. Strike konnte nicht sagen, ob
er schüchtern, gelangweilt, dumm oder starr vor Furcht war, aber er hätte
darauf wetten können, dass der Junge noch nie in seinem Leben in New York
gewesen war, wenigstens nicht ohne seine Mutter.
    Strike
hatte sich etwas umgehört, seit er das erste Mal ein Auge auf Tyrone geworfen
hatte, und herausgefunden, dass zwar der Vater des Jungen und zwei seiner Onkel
im Knast saßen, er aber eine von diesen Grizzlybärenmüttern hatte, eine Frau
namens Iris, eine von der Sorte, die ihre Kinder jeden Tag in die Schule brachte,
sie um drei Uhr draußen abholte und ihre Gesundheit, ihre Erziehung und ihr
Wohlergehen von Sonnenaufgang bis Mitternacht überwachte.
    Eins von
den Mädchen, die mit der Crew herumhingen, hatte gesagt, sie habe einmal
beobachtet, wie Iris mit ihren drei Kindern durch die Siedlung gelaufen war und
ihnen Anschauungsunterricht in Sachen Drogen gegeben hatte, indem sie mit dem
Finger auf irgendeinen Junkie oder ein Junkiemädchen zeigte und Dinge sagte wie: >Erinnert ihr euch an sie? Erinnert ihr euch,
wie sauber sie früher war? Wie hübsch sie angezogen war?< Und einer der
Clockers von der Dumontseite hatte ihm erzählt, dass Iris sich früher
regelmäßig mit der Crew angelegt hätte, direkt auf der Straße, und einmal hätte
sie sogar mit einem der Burschen eine Schlägerei angefangen, weil er vor ihrem
Haus Ampullen verkaufte. Einem der kursierenden Gerüchte zufolge war Andre, der
Riese, ihr heimlicher Freund. Doch selbst wenn das stimmte, musste die Frau
verrückt sein: Jeder konnte ja mal in eine Kugel laufen.
    »Wir sind jetzt unter dem Wasser.« Mit beiden Händen am
Steuer reckte Strike seinen Kopf nach oben und schnitt dem Gewölbe über ihnen
eine Grimasse. »Wenn eine von den Deckenkacheln rausfällt? So von dem Druck?
Scheiße, das war's dann.« Strike schnalzte laut, übertrieb es ein wenig,
versuchte, den Jungen dazu zu bringen, etwas zu sagen, irgendwas: Vielleicht
hatte seine Mutter dafür gesorgt, dass er seine Zunge zu Hause ließ, damit er
sich keinen Ärger einhandelte.
    Auf der New Yorker Seite machte Strike eine Show
daraus, seine .25er aus der Trittleiste zu fischen und das Magazin zu prüfen.
Tyrone saß immer noch mit steifem Hals nach vorn starrend da und schien Strike
nicht zu beachten. Das versteinerte Gesicht des Jungen ging Strike langsam auf
die Nerven. Vielleicht waren stille Wasser gar nicht so tief, vielleicht war
der Bursche stumm, weil er nichts im Kopf hatte.
    Strike zog sich in seine eigene trübe Stimmung zurück,
dachte wieder an Tyrones Mutter und stellte sich vor, wie er selbst mit ihr
aneinandergeriet und sie sprachlos machte, indem er sagte: »Ja, vielleicht
verkaufe ich Stoff, aber wenigstens hat mir meine Mutter beigebracht, mir meine
verdammten Zähne zu putzen.« Aber vielleicht hatte der Junge auch nur ein
Magenproblem, und es stimmte Strike ein wenig milder, als er diese Möglichkeit
bedachte, weil man schließlich niemanden für körperliche Gebrechen
verantwortlich machen konnte.
    Strike fuhr über die 116th Street nach East Harlem und
hielt vor einem Herrenfriseur im Erdgeschoß eines Apartmentkomplexes. Drinnen
roch es nach

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