Price, Richard
heißt er gleich.« Rocco konnte sich nicht überwinden, >Sean
Touhey< zu sagen. »Rede, Rocco.«
»Der
Schauspieler«, murmelte er. »Nein.«
»Wo ist
Mazilli?«
»Unterwegs.«
Rocco
wusste, dass das alles bedeuten konnte, von der Arbeit an einem alten Mord bis
hin zu einer Partie Romme in einem von der Mafia geführten Vereinsheim. Er
konnte noch Stunden weg sein.
Rocco ging
zum Dienstzimmer und sah, dass der Stuhl, auf dem der Schauspieler gesessen
hatte, immer noch nicht aus dem Flur weggeräumt worden war. Der leere Stuhl
löste ein merkwürdiges Gefühl in ihm aus, so als ob Touhey sich immer noch
irgendwo im Gebäude aufhielt, aber Rocco schüttelte es ab und setzte sich an
seinen Schreibtisch.
Er
schaltete den Fernseher auf den Aktenschränken an, erwischte ein paar Minuten
einer Wiederholung von >Hawaii Fünf-Null< und stellte ihn wieder ab.
Rocco zog die Karte des Schauspielers aus seiner Sportjacke und griff nach dem
Telefon.
»Pressure
Point Productions«, sagte eine junge männliche Stimme.
»Ja, ist
Sean da? Hier spricht Rocco Klein.«
»Einen
Augenblick.«
Rocco
klemmte sich den Hörer unters Kinn, hielt die Visitenkarte mit beiden Händen,
drehte sie um und las erneut die hingekritzelten Zeilen auf der Rückseite.
»Hi.« Die
neue Stimme war weiblich - rauchig und intim, als rede sie mit einem Freund.
»Hi, wer
ist da?« Rocco beugte sich vor und stützte seine Ellbogen auf die
Schreibtischunterlage.
»Ich bin
Jackie, kann ich Ihnen helfen?«
»Jackie, hi, hier spricht Rocco Klein, ist Sean da?«
»Tut mir leid, er ist im Augenblick nicht hier. Kann
ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«
»Wissen Sie, wer ich bin?«
»Aber sicher.«
»Prima. Ich war mir nicht sicher, ist, ahm ... kommt
Sean heute Nachmittag zu mir ins Büro? Wir haben irgendwie vergessen, das
abzusprechen.«
»Nein, ich glaube nicht. Ich glaube, er ist in die
Provinz gefahren.«
»In die Provinz?« Rocco war für einen Augenblick
verwirrt: Provinz konnte hier draußen auch Knast bedeuten. »Wie, hat er Urlaub?«
»Nein, er wollte nur ... er dürfte morgen wieder zurück
sein.«
»Wo zurück?«
»Schwer zu sagen. Soll ich ihm irgendwas ausrichten?«
Rocco schwieg einen Moment und dachte nach. »Sagen Sie ihm, ich hätte
angerufen, und er möchte mich zurückrufen, okay?«
»Wie lautet Ihre Telefonnummer, Rocky?«
»Rocco, Rocco, nicht Rocky.«
»Hab ich Rocky gesagt?« Sie lachte, und Rocco dachte: >Sehr
witzig<.
Gerade als er auflegte, kam Vys Stimme krächzend über
die Gegensprechanlage auf dem Schreibtisch und teilte ihm mit, dass er einen
Besucher habe. Rocco sprang auf, und ein Blutschwall ließ seine Schläfen
pochen. Vy hatte diesen hänselnden Unterton in der Stimme: Das musste er sein.
Rocco ging durch den Flur und dachte sich den
vollständigen Plan für den Nachmittag aus, war so darauf fixiert, den
Schauspieler vorzufinden, dass er die winzige, hohlgesichtige weiße Frau
entgeistert anstarrte, die auf der Couch saß und gerade mit den Schultern
zuckte.
»Wo ist er hin?«
»Wo ist wer hin?«,
krächzte Vy und sah Rocco fragend an.
Schließlich
begriff er, dass die Frau seine Besucherin war, und baute sich vor ihr auf.
»Wer sind Sie?«, fragte er kurzangebunden und besah sie sich von oben bis
unten. Das rötlich braune Besenhaar der Frau war zu einem dreißig Zentimeter
langen Pferdeschwanz zusammengebunden, der direkt über ihrem Ohr sprießte. Sie
trug eine enge Baumwollhose, neonpinkfarbene Socken und Tennisschuhe ohne
Schnürsenkel. Unter ihrer Jeansjacke trug sie ein weißes T-Shirt, auf dem
>Here's the Beef< stand, obwohl sie augenscheinlich kaum mehr als vierzig
Kilo wog.
»Ich weiß,
wer den Typen erschossen hat.« Ihre Stimme war rau und krächzend, ihr Blick
mürrisch und fest.
»Gut«,
sagte Rocco sanft, streckte seinen Arm in Richtung Vernehmungszimmer aus und
verbeugte sich ein wenig, so als sei sie eine Art Kundin.
Sie ging
vor ihm den Flur entlang, sah aus wie jemand, der unter Mangelerscheinungen
litt. Junkie, entschied Rocco, oder vielleicht Ex-Junkie, weil sie einen im
Großen und Ganzen sauberen Eindruck machte und ihre Kleidung farblich mehr oder
weniger zusammenpasste.
Im
Vernehmungszimmer saß sie vornübergebeugt da, ihre Ellbogen berührten die
Innenseiten ihrer Oberschenkel, und sie war bereits bei der zweiten Zigarette,
bevor Rocco ihren Namen richtig buchstabieren konnte.
Rocco saß
in rechtem Winkel zu ihr, seinen Notizblock auf den Knien. Er warf einen
Weitere Kostenlose Bücher