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Price, Richard

Price, Richard

Titel: Price, Richard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clockers
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Strike
erkennen, wer herumhing, um zu arbeiten, und wer herumhing, um nichts zu tun - man
sah es an den Blicken und an der Haltung. Einige der Clockers, die er kannte,
sahen zu ihm herüber und dann schnell weg.
    »Scheiße, die denken a-alle, ich bin jetzt beim Staat
oder so was.« Andre lachte. »Ja.«
    »Du wirst mich umbringen, wenn du so mit mir durch die
Gegend fährst. Wenn irgendeiner von denen heute Abend eingelocht wird, dann
sagen die: >Ja, Strike war heute mit diesem Co-Cop zusammen. Der Nigger hat
mit dem Fi-Finger auf mich gezeigte«
    »Ja«, Andre lachte erneut.
    Jedes Mal, wenn er eine Polizeistreife sah, fuhr er
langsamer, lehnte sich aus dem Fenster, winkte und machte auf Smalltalk, riss
Witze, alle lachten zurück, und Andre winkte sogar einigen Gefängniswärtern
und Sheriffs, die nicht im Dienst waren und biertrinkend vor einem
Lebensmittelladen herumhingen. Strike fühlte sich schwindlig: Das war genau so,
als würde er mit Rodney herumfahren, mit einem Rodney von der anderen Seite.
     
    Furniture Shack, der Möbelladen, war ein großer
Betonhangar an der 1-9, Ecke Horton Avenue, direkt gegenüber einer Kombination
aus Driving Range und Baseball-Übungsplatz und nur einen Sprung vom Büro des
Staatsanwalts entfernt, wo die Detectives ihre Hüte hinhängten.
    Andre hielt vor dem Laden und deutete zu den
Schlagkäfigen auf der anderen Straßenseite, die jetzt am grauen Nachmittag leer
waren. »Ich bin mit Wallace Mooney immer hierhergegangen, als er noch ein Kind
war - selbst da hatte er schon diese schnellen Handgelenke. Zwölf Jahre alt,
und er drehte sich bei einem Fastball wie ein Profi.«
    Wallace Mooney, der jetzt in den unteren Mannschaften
der San Diego Padres spielte, war eine der Erfolgsgeschichten Roosevelts, eine
weitere Trophäe an Andres Wand. In der Highschool waren er und Strike eine
Zeitlang in dieselbe Klasse gegangen; Wallace war ein netter Junge, der sich
stets sauber und adrett kleidete und Strike niemals komisch ansah, wenn er
Probleme beim Sprechen hatte.
    »Wallace Mooney«, verkündete Andre, »das war ein Junge
mit einer Vorsehung in den Genen. Wusstest du, dass sein Großvater mit Willy
Mays bei den Birmingham Bulls gespielt hat?«
    Strike machte abwesend: »Hmm«, warf einen kurzen Blick
zum Büro des Staatsanwalts hinüber und gab beim Anblick des hässlichen, mit
Steinfliesen verkleideten Gebäudes ein leises Wimmern von sich.
    »Schnelle Handgelenke, gute Familie.« Andre starrte den
leeren Drahtverhau an. »Also, welches Gefühl hast du bei deinem Bruder?«
    Die Frage erwischte Strike auf dem falschen Fuß, und er
musste ein Stottern unterdrücken. »Ich weiß überhaupt nichts darüber.«
    »Ich hab dich nicht gefragt, was du weißt, ich habe dich gefragt, was du fühlst.«
    Strike zuckte mit den Schultern. »Das Ding ist doch
gelaufen, was soll ich da sagen? Ich weiß nicht, verstehst du, das ist so ...
er muss seine Gründe gehabt haben.«
    Strike atmete aus, überdachte die verschiedenen
Möglichkeiten, fragte sich, ob es irgendetwas gab, das er sagen konnte, was
Victor helfen würde. Aber er konnte nicht, nicht ohne sich selbst in die Sache
hineinzuziehen. Andre war klug, und selbst wenn Strike irgendetwas über
>Gerüchte auf der Straße< gesagt hätte, wäre Andre innerhalb eines
Herzschlags an ihm dran gewesen.
    »Wie verkraftet es deine Mutter?«
    Strike zuckte mit den Schultern. »Sie re-redet nicht
mit mir, also kann ich nichts darüber sagen.«
    Andre warf Strike ein müdes Grinsen zu. »Kannst du's
ihr wirklich verdenken?«
    »Nein, ich glaub nicht. Du weißt schon, bei mir war ja
nichts mit schnellen Handgelenken oder so was.« Strike stieg aus und dachte:
>Lass uns endlich mit diesem Scheißdreck fertig werden.<
    Der Möbelladen war ein riesiger, bedrückender Raum, ein
heißes, luftleeres Meer billiger Waren in Plastiküberzügen. Die Seitenwände
waren mit hochgestellten Teppichrollen verdeckt, und die Hinterwand war eine
duftige Wolke aus eingeschweißten und übereinan dergestapelten
Matratzen. Der Mittelgang war ein implodiertes Wohnzimmer mit Dutzenden von
Sofas und Lehne an Lehne gepressten Fernsehsesseln. Schwanenhalsstehlampen
wölbten sich über dem Velours und Kunstleder wie einsame Schilfstängel über
einem Teich.
    Strike
verzog sein Gesicht bei dem erstickenden Geruch von Plastik, aber seine Augen
verschlangen die wogenden Wände voller Farben, die unendlichen Stile und
Formen der Sofas, die Neuheit der Gegenstände. Er wandte sich um,

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