Price, Richard
Schlange und warf Strike einen
knappen verärgerten Blick zu. »Was macht dich so krank, Schuldgefühle?«
Während
Strike durch den Holland Tunnel in Richtung Bronx zu Crystal fuhr, rasten die
Gedanken in seinem Kopf umher. Er dachte daran, was er wohl zu Victor gesagt
hätte, und an seine nachmittägliche Begegnung mit dem Cop; er dachte darüber
nach, was für ein schöner Name Crystal war, und darüber, seinen Schulabschluss
zu machen und vielleicht in die Bronx zu ziehen. Vielleicht sollte er einfach
aus dem Spiel aussteigen; vielleicht sollte er einfach dafür sorgen, dass Crystal
eine Weile für ihn sorgte und ihm half, ein neues Leben zu beginnen.
Von dem
Augenblick an, als er den Accord zwei Blocks von Crystals Haus entfernt in der
Garage parkte, spürte Strike, dass etwas nicht stimmte. Er ging die Straße
entlang, spürte, wie unausgeglichen er war, ohne jeden Bezug zu seiner
Umgebung. Erst als er an einer Handvoll Polizisten vorbeikam, die ein scheinbar
verlassenes Haus betraten, ging ihm auf, was nicht stimmte: Er hatte die .25er
im Wagen gelassen. In Dempsy war das egal, aber durch diese Straßen hier ging
er nie ohne Waffe.
Als er den
Vorhof des Gebäudes betrat, fiel ihm ein, was bei seinem letzten Besuch vor
knapp einer Woche hier passiert war - als er in diesen Cop, Malfie, gerannt
war, seine Angst, dass Malfie seine Knarre entdecken würde. Nun, diesmal hatte
er nichts zu verheimlichen, diesmal würde er nicht auf die Schuhe dieses
Arschlochs starren. Als er die Eingangshalle betrat, war er vorbereitet,
wünschte sich beinahe, dass Malfie dort sein und wieder vor dem Fahrstuhl rumhängen
würde, um sich ihm in den Weg zu stellen. Aber der Cop war nirgendwo zu sehen.
Strike
nahm den Aufzug. Die Kabine roch nach Waschmittel, Strike dachte an Crystal und
spürte eine vage Erregung. Er hegte die leise Hoffnung, dass ihr Kind heute
vielleicht woanders war.
Er nahm
den Schlüssel aus der Tasche, entschied sich aber, wie ein Gentleman zu
klingeln, als ihm einfiel, wie sehr Crystal letzte Woche aufgeschreckt war,
als er ohne Vorwarnung reinmarschiert war. Die Klingel hatte keinen Nachhall,
gab nur ein blechernes Ping von sich. Er wusste nicht, ob irgendjemand das in
der Wohnung hören konnte, also drückte er erneut auf die Klingel und klopfte
dann gegen die Metalltür.
Er stand
im Flur und lächelte, um sie mit seinem Charme umzuwerfen und sich so die
Option auf ein neues Leben zu wahren. Er klopfte erneut, hörte schließlich
leise und schnelle Schritte und das Klicken des Schlosses. Die Tür öffnete sich
einen Spalt, gab einen fünf Zentimeter breiten Ausschnitt von Crystals Gesicht
und einen überraschten Blick frei.
»Oh«,
sagte sie mit leiser Stimme, »du solltest doch anrufen.« Sie klang wie
eine Erwachsene, die ein kleines Kind zurechtwies.
»Na,
deswegen hab ich ja geklingelt.« Er reckte den Hals, versuchte, sich
spielerisch und charmant anzuhören. Er sah, dass sie ihren rosafarbenen Bademantel trug. »Freust du dich
nicht, mich zu sehen?«
»Ich mach gerade sauber.« Die Tür blieb, wo sie war.
»Ach ja? Wurde auch la-langsam Zeit.« Er hatte es als
Scherz gemeint, doch ihre Miene verdüsterte sich augenblicklich.
»Was?« Sie starrte ihn mit einem glühenden Auge an.
»Ich mach nur Witze, du kennst mich doch.« Strikes
Worte klangen falsch, sogar in seinen eigenen Ohren; er atmete langsam aus und
sagte sich, dass er wohl zu schnell vorging.
Keineswegs besänftigt, griff Crystal nach dem Kragen
ihres Bademantels und starrte ihn an. Nach einer Sekunde Zögern streckte er
eine Hand durch den offenen Türspalt nach ihr aus. Sie zuckte zurück und
öffnete dabei versehentlich die Tür.
Strike trat ein. Keine Anzeichen von Jose.
»Du kannst jetzt nicht hierbleiben.« Ihre Stimme klang
hoch und ängstlich.
Doch Strike war schon in der Küche, kauerte vor dem
Kühlschrank und suchte nach einem Yoo-Hoo.
Er fand keines, was ihm ein schlechtes Gefühl
bereitete; bisher hatte sie stets mindestens eine Flasche für ihn im
Kühlschrank gehabt.
Als er sich umdrehte, sah er Malfie, den Cop, hinter
Crystal in der Küchentür stehen. Er lächelte, als täten ihm die Zähne weh, und
starrte Strike mit seinen Scheinwerferaugen an. »Wie geht's?«
»Er repariert das Bad«, sagte Crystal. Sie legte die
Arme um sich, drückte das Kinn gegen die Brust und warf Strike einen Blick zu,
in dem sich Vorwurf und Entschuldigung mischten.
Malfie war angezogen, trug einen Dienstrevolver an
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