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Price, Richard

Price, Richard

Titel: Price, Richard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clockers
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beide so
taten, als sei nichts Ungewöhnliches geschehen.
    Strike
merkte, wie er Kopfschmerzen bekam. Er betrachtete das halbe Kilo in seiner
Hand; in Plastik verschweißt sah es aus wie ein platter durchsichtiger Ziegel
aus weißen Krümeln. Er schloss die Augen, hatte plötzlich wieder Angst, aber
nicht vor der Mordkommission, nicht vor Erroll oder Rodney oder Andre oder
Buddha Hat oder vor seinen eigenen zerrissenen Gedärmen. Er hatte Angst vor
diesem Zimmer, vor der Stille darin; er war sich sicher, wenn er nicht schnell
genug wieder herauskam, dann würde es ihn erdrücken, und niemand würde ihn
schreien hören.
    Als Strike
aus seinem Zimmer kam, bemerkte Herman die Gesellschaft und begann seinen
Kampf, blinzelte zur Zimmerdecke, bewegte seine Arme und Beine wie ein auf dem
Rücken liegender Käfer. Strike rannte zu ihm hin und schüttelte dem alten Mann
die Hand, bevor der sich an den Armlehnen aufstützen konnte. »Yo, Herman, danke
für das Bu-buch, Mann.« Strike wich den wässrigen verwirrten Augen aus und warf
einen schnellen Blick über das Silbertablett mit den Arzneifläschchen und
Hermans Kleidung. »Das ist aber ein netter Schlips«, sagte Strike schnell, und
er sprang just in dem Moment zur Tür, als der alte Mann etwas sagen wollte.
    Strike war
der einzige Mann in einer lockeren Schlange von einem Dutzend Frauen, die vor
einem mit Aluminium verkleideten Container auf dem Parkplatz des Gefängnisses
von Dempsy County standen. Der Container sah aus wie ein Bauwagen auf einer Baustelle,
aber für jeden, der drinnen einen Besuch abstatten wollte, war das hier der
Checkpoint Charlie. Das Gefängnis lag sechzig Meter entfernt, und die sieben
Stockwerke aus verdreckten Ziegeln schienen sich unter den dahineilenden
Wolken in Strikes Richtung zu neigen.
    Ein paar
der Frauen hielten Briefumschläge in der Hand, und Strike nahm an, dass sie
zehn oder zwanig Dollar enthielten, die auf dem Gefängniskonto von Bruder oder
Freund eingezahlt werden sollten. Andere hatten Einkaufstüten in der Hand, die
Pyjamas, Turnschuhe, Unterwäsche oder Zigaretten enthielten. Strike hatte
nichts mitgebracht, nicht mal ein Comic-Heft oder ein paar T-Shirts;
hierherzukommen war alles, wozu er sich aufraffen konnte.
    Die
Schlange bewegte sich langsam auf die Tür des Containers zu. Strike sah, wie
die Frau neben ihm sich einen luftleeren Ballon wie ein Stück Kautabak in den
Mund steckte; ein gefährliches Spiel. Er sah zum Gefängnis hoch und fragte
sich, ob irgendetwas Böses, etwas Unvorhergesehenes passieren würde, wenn er
erst mal drin war und Victor sah.
    Das Innere
des Containers war erstaunlich geräumig. Hinter einem zusammenklappbaren
Tisch, auf dem Karteikästen aufgereiht waren, saßen zwei Beamte. Ein halbes
Dutzend bereits überprüfter Besucherinnen drückte sich am anderen Ende des
Raumes zusammen; in einer weiteren Ecke standen zwei Beamte, Mann und Frau,
bereit, sie abzutasten und die Taschen zu kontrollieren.
    »Für wen
bist du hier?« Ein schwarzer Beamter, der in seiner akkuraten Uniform jung und
schnittig aussah, warf Strike einen schnellen Blick von oben bis unten zu.
    »V-Victor
Dunham.« Strike beugte sich vor, während der Typ mit den Fingern durch seine
Kartei spazierte und eine lange gelbe Karte hervorzog. Strike erkannte Victors
Handschrift.
    »Wie heißt
du?«
    »Victor
Dunham.«
    Der Beamte
sah ihn geduldig an.
    »Ronald Dunham.«
    Der Beamte
ging die Karte entlang; es handelte sich um eine Liste zugelassener Besucher,
alle von Victor bestätigt. Strike versuchte angestrengt, auf dem Kopf zu
lesen, entdeckte zuerst den Namen seiner Mutter, dann seinen eigenen, dann
ShaRon, dann zwei weitere Namen, die er nicht lesen konnte. Victor hatte ihn
vor seine Frau gesetzt, was Strike rührte, aber auch traurig stimmte. Sie
hatten seit über einem Jahr kaum noch etwas miteinander zu tun, aber dort stand
Strikes Name an zweiter Stelle der Liste. Hieß das, sein Bruder vergab ihm?
Oder vielleicht wollte er Strike da drin nur bei sich
haben.
    »Hast du
irgendeinen Ausweis dabei?«
    Strike bot
dem Beamten seinen alten Schülerausweis und seinen Führerschein an.
    »Da rüber.«
Der Beamte zeigte in die hinterste Ecke hinüber und gab dann Victors Namen über
ein Sprechfunkgerät durch.
    Strike
leerte den Inhalt seiner Taschen in eine Plastikschüssel und hob dann die Arme.
Das Abklopfen war harmlos im Vergleich zu Thumpers Spezialbehandlung, aber die
Hände machten ihn nervös und gaben ihm das Gefühl, dass

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