Price, Richard
Zeit hab ich nicht. Alles, was ich sagen kann, ist, ich
hab nicht den leisesten Schimmer. Sind Sie sicher, dass er es war?«
»Also, er
kümmerte sich um den Job, hmm?«, sagte Rocco nachdenklich.
»Ich sag
Ihnen was, Victor behandelte alle mit Anstand, und zwar auf beiden Seiten der
Theke, verstehen Sie? Das ist ein beschissener Job für die Kids, die hier
arbeiten, aber Victor hatte ein Händchen dafür, mit ihnen umzugehen, und
solange sie taten, was sie tun sollten, ließ er sie in Ruhe. Alles, was die
Kids wollen, ist Respekt, Freiheit und Geld, um sich Klamotten zu kaufen, ein
Mädchen auszuführen, und Victor hat ihnen so'ne Art kontrollierte Freiheit
gegeben. Sehen Sie, das hat er mir beigebracht, weil ich, ich war so'ne Art
Überbleibsel, als ich hier anfing, da war das irgendwie: >Schaut mir bloß
nicht in die Augen, ich bin hier der Boss<, verstehen Sie? Ich geh mit dem
Schiff unter, aber Victor, Mann, er ist irgendwie ...«
»Wie war
er mit den Kunden?«
»Die
Kunden?« Hector verzog das Gesicht und fegte jede Andeutung eines Problems vom
Tisch. »Ich werd Ihnen mal was sagen, Mann, Victor wusste den Dollar abzuwägen.
Wenn hier so'n abgerupfter Kerl reinkam und sagte: >Yo, ich hab Hunger,
Mann<, dann hat Victor ihm 'nen Hamburger gegeben, einfach so, ohne Geld. Er
sagte zu mir: >He, schau, du gibst ihm einen, damit er nicht zwei klaut,
Selbstschutz, Schutz deines Investments.< Und beim ersten Mal, als er mir
das gesagt hat, da dachte ich: >Wenn jemand nach was umsonst fragt, he, ich
bin Puerto-Ricaner, du stiehlst meinen Schweiß,
da erzähl ich dir was anderes<. Aber er hatte recht, er hatte recht... Und
selbst mit den Dealern, wissen Sie, wenn die hier reinkamen und anfingen, Shit
zu verkaufen? Dann ging Victor mit einer Cola in jeder Hand an ihren Tisch,
setzte sich dazu: >Yo, Bruder, du dealst doch nicht hier drin, oder? Weil, das hier ist 'n
Familientreff.< Dann teilt er 'n paar Limos aus und sagt: >Es wäre mir
lieber, wenn ihr das außerhalb des Geländes machen würdet<, und in neun von
zehn Fällen gingen sie, weil, ganz gleich, was man ist, Dealer, Penner, Arbeiter,
die Leute reagieren mit Respekt, wenn sie Respekt spüren.« Er lehnte sich auf
der Tischkante zurück.
»Hmm«, grunzte Rocco und stellte sich vor, wie Victor
mit seinem Kumpelgesicht aus der Küche kam, die Hände voller Limobecher, und zu
einem Tisch voller Clockers ging. »Aber Sie sagten, in neun von zehn Fällen.«
»Beim zehnten Mal? Da holt er seinen verrückten puertoricanischen
Partner, der mit 'nem Baseballschläger aus dem Hintergrund auftaucht.« Hector
lachte hart und kurz. »Nein. Nein. Beim zehnten Mal ruft man die Cops, weil,
man beugt sich, aber man bricht nicht, man macht keinen Rückzieher, verstehen
Sie, was ich meine? Und hier kommen schon manche harten Jungs rein, mit Waffen
und all dem Scheiß.« Hector warf einen kurzen Blick auf die Uhr.
Die Bürotür öffnete sich einen Spalt, und Hector hob
den Kopf. Rocco schob die Tür mit dem Fuß wieder zu.
»Ich möchte Sie was fragen. Sie sagen Waffen, hatte er
eine Waffe?«
»Victor? Nicht dass ich wüsste.«
»Er hat mir erzählt, er hätte hier beim Aufräumen mal
eine Waffe gefunden.«
»Nun, daran zweifle ich nicht. Sie würden nicht
glauben, was man hier manchmal findet. Ich hab mal im Klo einen verdammten
menschlichen Zeh gefunden, einen echten Zeh aus Fleisch und Blut, unterm
Waschbecken. Ich dachte, es sei ein Stück Schinken oder so was. Aber Waffen ...
Mann, wir haben Waffen, Gold, fette Geldbündel, die Leute haben alles Mögliche
bei sich. Okay, ich geb Ihnen ein Beispiel. Eines Abends sitzen zwei Burschen
in dem Kinderklettergerüst, zwei Kids, die Ampullen verkaufen, Victor geht
raus und kommt völlig aufgescheucht wieder, und ich sage: >Was ist los?<
Er sagt, er habe sie gebeten zu verschwinden, aber einer der Burschen zieht
sein Bargeld raus, 'n fetter Packen wie vier zusammengerollte Socken, und der
Bursche sagt: >Mein Boss sagt, er zahlt fünfhundert die Woche, wenn du uns
von hier aus arbeiten lässt, die Bullen sind bezahlt, nichts wird passieren,
sag einfach ja.<« Hector zuckte mit den Schultern und warf Rocco einen
entschuldigenden Blick zu. »Ich meine, ich wollte Sie nicht beleidigen.«
»Und was hat er gesagt?«
»Nun, ich war nicht dabei, aber ich denke, er hat
gesagt: >Nein, bitte, danke.<« Hector lachte und berührte vorsichtig sein
Gesicht. »Das war 'ne Menge Heu, was er da ausgeschlagen hat. Aber manchmal
muss man
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