Price, Richard
schreckte überrascht hoch und blickte wild um sich. Dann
rutschte er auf die Beifahrerseite hinüber, aber Strike musste noch einmal
gegen die Scheibe klopfen, damit er ihm die Tür öffnete.
Auf dem Rückweg zur Einfahrt der alten Lady hatte
Strike derartigen Schiss, dass er zuerst nicht bemerkte, wie verängstigt und
still Tyrone war. Der Junge sah so verstört aus wie bei ihrem ersten gemeinsamen
Tag; er hielt sich eine Hand vor den Bauch, als habe er sich Strikes Magengeschwür
eingefangen. Strike erinnerte sich daran, dass Tyrone erst elf oder zwölf war,
und fragte sich, ob die Euphorie des Tages nun von Schuldgefühlen abgelöst
würde.
Strike
versuchte, den Jungen zum Sprechen zu bringen. »Wie war's?«
»Was?«
»Was du
gemacht hast.«
»Okay.«
»War nicht
zu viel?«
»Nein.«
»Weil, du
warst gut...«
Tyrone gab
keine Antwort, und Strike bog in die Einfahrt ein. Er saß eine Minute lang da,
beobachtete, wie sich Tyrone den Magen hielt. Strike griff ins Handschuhfach
nach dem Mylanta, nahm einen Schluck.
»Was ist
denn mit deinem Magen los?« Der Junge zuckte vage mit den Schultern. »Warum
hältst du ihn dir dann?« Erneutes Schulterzucken.
Strike
dachte daran, ihm etwas Mylanta anzubieten. »Du warst gut, weißt du das?«
Tyrone nickte.
»Du warst
richtig verantwortungsbewusst.«
Strike
fühlte sich merkwürdig schuldig, griff in die Tasche nach seinem Geldbündel
und zählte fünf Zwanziger ab. »Das ist für dich ...«
Tyrone
nahm blind das Geld und hielt es, immer noch schweigsam, in der Hand.
Strike
konnte sehen, dass der Junge so schnell wie möglich aus dem Wagen wollte, aber
er wollte ihn noch nicht gehen lassen. Warum war der Junge so starr?
»Willst
du's nicht einstecken? Jemand wird es dir abnehmen, wenn du damit so in der
Hand herumläufst.«
Der Junge
sagte nichts.
Plötzlich
kam Strike ein düsterer Gedanke. »Du hast dir von dem Scheiß doch nichts in die
Nase gezogen, oder?«
Tyrone sah ihn nicht an, aber seine Lippen verzogen
sich vor Abscheu.
»Gut«, murmelte Strike.
Nach einer weiteren Minute des Schweigens gab er auf.
»Na gut«, sagte er und hörte den wütenden Unterton in seiner Stimme. »Geh
schon.«
Strike sah, wie Tyrone steif und bedächtig in Richtung
der Siedlung davonging und die Hand immer noch gegen die Gürtelschnalle
gedrückt hielt. Was zum Teufel hatte der Junge für ein Problem? Strike wusste
es nicht, aber er hatte einen kurzen Blitz freudiger Erregung über Tyrones
Gesicht huschen sehen, als er aus dem Wagen gestiegen war, und Strike hätte
schwören können, dass der lunge einen zittrigen Anfall nervösen Gekichers
unterdrückt hatte, als er weit genug weg war, um zu glauben, dass Strike ihn
nicht länger beobachtete.
Als Strike von der Einfahrt zu den Bänken ging, sah er
das Mädchen vor sich, das am Vortag von Stitch geschlagen und beklaut worden
war. Neben ihm ging ein großer Kerl in einer Armeejacke, und beide hielten
entschlossen auf die Bänke zu. Der Kerl hielt seine Jacke auf eine Weise
zusammen, die Strike langsamer werden ließ, um auf Distanz zu bleiben, und
schließlich blieb er stehen, stand mitten auf der Straße und sah zu, wie die
beiden sich wie Kriegsschiffe den Bänken näherten.
Es gab nichts, das er tun konnte. Er wollte nicht
sehen, was passierte, wollte nicht als Zeuge in die Sache hineingezogen
werden. Doch dann dachte er an Tyrone, stellte sich vor, wie der Junge auf seiner
Kette hockte, und plötzlich überlegte er es sich doch anders, duckte sich
hinter eine Reihe von parkenden Autos und bewegte sich parallel zu dem Pärchen,
während er hoffte, dass Tyrone auf dem Weg zur Wohnung seiner Großmutter war.
Doch als die Bänke in Sicht waren, sah Strike den Jungen auf seiner Kette
schaukeln, und Tyrone hielt sich immer noch den Bauch und hatte ein blödes und
merkwürdiges Grinsen auf den Lippen, während er die Clockers und ihr unaufmerksames
Herumgealbere beobachtete.
Horace hielt immer noch den Stock in der Hand, mit dem
ihn Strike schon vorher hatte herumfuchteln sehen. Andres Galgenfrist war
bereits einen knappen halben Tag abgelaufen. Horace sah verkrampft und
durchgedreht aus: Er lief auf und ab, lachte schrill, pikste die Leute mit dem
Stock.
Das Mädchen und der Kerl in der Drillichjacke gingen
langsam auf die Bänke zu und hielten stirnrunzelnd Ausschau nach Stitch. Strike
sah eine Art ängstlichen Erkennens in Tyrones Gesicht, niemand sonst spürte die
Gefahr, und er betete, dass Tyrone nicht in Panik
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