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Price, Richard

Price, Richard

Titel: Price, Richard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clockers
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geraten, nicht aufspringen
oder sonst irgendwas tun würde, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
    Das Paar blieb drei Meter vor den Bänken stehen, und
der Kerl steckte eine Hand tief in die Jacke. Schließlich bemerkte die Crew die
beiden, einige erkannten das Mädchen, alle wurden jetzt still und nervös, nicht
sicher, was sie tun sollten. Das Mädchen sah von einem zum anderen, stellte
sich dann vor Horace und fixierte ihn mit zögerndem Blick. Der Kerl fragte:
»Ist er das?«, trat einen Schritt vor, sagte: »Erinnerst du dich an sie?«, zog
dann eine Handfeuerwaffe hervor und drückte ab, und die Rauchwolke und der
Knall ließen Horace zwei Schritte rückwärts machen und auf der nächsten Bank
Platz nehmen, sein Gesicht wies immer noch diesen überraschten, düsteren Zug
auf, und er saß einfach da, als sei er tief in Gedanken versunken, alle außer
Tyrone schrien und rannten, der Schütze stand eine Sekunde lang still da, das
Mädchen berührte seine Schusshand beinahe zärtlich, dann drehten sich beide um
und staksten davon, und der Schütze warf nur ein einziges Mal einen Blick über
die Schulter.
    Strike war von der Schießerei so gelähmt, dass er nicht
die Geistesgegenwart besaß, sich hinter ein Auto zu ducken, als das Paar an
ihm vorbeikam. Er starrte Tyrone an und bemerkte, dass der Junge sich immer
noch nicht gerührt hatte: Tyrone schien ganz ruhig, interessiert, sah zu
Horace auf der Bank hinüber und beobachtete, wie sich Horace' Lippen bewegten,
als streite er sich mit jemandem.
    Erst die
Sirenen rissen Strike aus seiner Starre, und er beschloss, schleunigst zu
verschwinden, warf einen letzten Blick auf die Bänke und sah, wie Horace vor
sich hin murmelte, während sich sein T-Shirt an der Schulter rot färbte. Tyrone
schienen die Sirenen ebenfalls zu alarmieren, er stand vorsichtig auf, hielt
sich immer noch den Bauch, sah unbeteiligt drein, beinahe gelangweilt. Doch als
Strike zusah, wie Tyrone auf die Weehawken Street 6 zuging, bemerkte er den
nassen Fleck auf der Jeans des Jungen, und selbst aus dieser Entfernung hätte
er schwören können, dass ihm der Gestank von Urin in die Nase stieg.
     
    ***
     
    Freitags
morgens saß Rocco in einem holzgetäfelten Büro im muffigen Souterrain der First
Baptist Church dem Reverend am Schreibtisch gegenüber; der Reverend hatte sich
weit in seinen vinylbezogenen Sessel zurückgelehnt, drehte sich
gedankenverloren hin und her und sah geistesabwesend und unglücklich drein,
während er über Victor Dunham nachdachte.
    An den
Wänden befanden sich lange Regale mit einer Unzahl von Bibeln, biblischen
Enzyklopädien und Almanachen. Hinter dem Schreibtisch hingen gerahmte Fotos des
Reverends, wie er verschiedene Kleriker umarmte, das Band an einem neuen Bus
für den Gospelchor zerschnitt, wie er Jimmy Carter die Hand schüttelte und irgendwo
hinter Jesse Jackson am Mikrofon stand. Auf den Bildern sah der Reverend
zuversichtlich drein, doch Rocco schien der Mann, der ihm gegenübersaß,
abwesend und bedrückt, und die Dose Bier und der Teller Pfirsichkuchen, die
seine Sekretärin vor fünf Minuten schweigend auf den Schreibtisch gestellt
hatte, blieben unberührt.
    Schließlich
öffnete der Reverend mit einem tiefen Seufzer den Mund, als fielen ihm die
Worte äußerst schwer.
    »Sehen
Sie, besonders schmerzt mich die Tatsache, dass ich Ihnen nicht viel über ihn
sagen kann, wenn ich ehrlich sein soll.«
    »Nun,
also, alles könnte von Nutzen sein.« Rocco, den die Umgebung ein wenig
einschüchterte, richtete sich auf seinem harten Holzstuhl auf.
    »Sehen
Sie, ein junger Mann kommt in diese Kirche, neunzehn, zwanzig Jahre alt, und
ich, ich will ihn nicht verscheuchen.« Der Reverend beugte sich vor, stützte sich mit den Ellbogen
auf und verschränkte die Hände.
    »Sehen Sie, was mich besonders schmerzt, ist, dass ich
nicht genug Glauben an Gott hatte, was diesen Jungen betraf, nicht genug Vertrauen
in das, was mir Gott aufgetragen hatte, nämlich die Hand auszustrecken, von
der Kanzel zu steigen, auf diesen Jungen zuzugehen und zu sagen: >Hallo, wer
bist du, gefällt dir der Gottesdienst?< Ich hatte das Gefühl, er würde den
ersten Schritt machen. Aber ich habe zu lange darauf gewartet, nicht wahr?«
    »He, ich bin sicher, Sie haben alle Hände voll zu tun«,
sagte Rocco.
    »Sehen Sie, eine Menge Leute kommen das erste Mal hier
herein, sie haben keine Vorstellung von Gott, keine Erfahrung mit der Kirche,
und so werde ich zu Gott, weil man mich berühren

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