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Price, Richard

Price, Richard

Titel: Price, Richard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clockers
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kann, wissen Sie? Nun, eine große Zahl
der Menschen, die eine Bürde zu tragen haben, sie suchen nach Hilfe, aber wie
nähert man sich Gott? Also muss ich herabsteigen und das Eis brechen, ihnen
meine Hand reichen und sagen: >Wie geht's dir, du machst so ein bedrücktes
Gesicht, Schwester, Bruder, also, wann immer du reden willst, ich bin für dich
da.< Und das mach ich auch, verstehen Sie mich nicht falsch, aber bei diesem
Dunham-Jungen, da hab ich's versaut, Mann, ich hab's einfach ... Ich erinnere
mich daran, wie er vor etwa vier Monaten das erste Mal in die Kirche kam. Er
kam allein, trug einen roten Pullover und eine weiße Krawatte. Ja, und er
setzte sich ganz ans Ende des Ganges, wie für den Fall, dass er schnell
verschwinden müsse ...«
    Rocco erwiderte das Grinsen des Reverends.
    »Ich denke, er ist mir wegen dieser rotweißen
Kombination aufgefallen, andererseits kommen hier aber auch nicht so viele
junge schwarze Männer herein. Das Verhältnis von Frauen zu Männern hier ist
sechs zu vier, manchmal sieben zu drei, und ein Großteil der Männer ist älter,
um die vierzig oder älter, und ich hätte gern mehr junge Männer in meiner
Gemeinde. Aber bei jenem ersten Gottesdienst saß er nur ganz still da, ich
weiß nicht, ob er mich an jenem Morgen überhaupt angesehen hat.
Ich weiß nicht, ob Sie mit den Gottesdiensten in einer Kirche wie dieser
vertraut sind ...«
    »Ich?«
Rocco legte sich eine Hand auf die Brust. »Nein, eigentlich nicht.«
    »Nun, es
gibt eine Stelle im Gottesdienst, viele Stellen eigentlich, wo ich in etwa
sage: >Wenn ihr glaubt, dass Jesus euch Gutes getan hat, wenn ihr glaubt,
dass Jesus auf eurer Seite ist, dann gebt eurem Nachbarn die Hand und lasst es
ihn wissen.< An der Stelle möchte ich, dass die Gemeinde in körperlichen
Kontakt zueinander tritt, und die meisten tun das auch, weil darin auch dieses
Hochgefühl liegt, wenn man den Geist miteinander teilt. Aber Dunham, er war
...«
    Der
Reverend zog die Schultern ein, drückte sein Kinn an die Brust und schrumpfte
sichtlich zusammen. »Nun, er beteiligte sich nicht daran, und ich kann Ihnen
sagen, ich war ein wenig überrascht, ihn in der darauffolgenden Woche erneut zu
sehen, und ab da jede Woche.«
    »Hat er
jemals jemanden mit zu einem Gottesdienst gebracht?«
    »Nein, er
war stets allein.«
    »Er kam
nie mit seinen Kindern? Seiner Frau? Seiner Mutter?«
    »Ich
dachte, er sei ganz allein auf der Welt, bis er an jenem Tag zu mir kam.«
    »Hat er
irgendwelche Freunde gewonnen?«
    »Eigentlich
nicht, aber ich sag Ihnen was, jede Woche saß er hinter dieser einen Familie,
nette Leute, ein junges Paar mit zwei Kindern und einem Großvater. Sie sitzen
normalerweise jede Woche in derselben Reihe, und er setzte sich immer hinter
sie. Zuerst hab ich mir nichts dabei gedacht, aber einmal kamen sie zu spät,
und ihr üblicher Platz war belegt, so dass sie sich woanders hinsetzen mussten.
Und dann sah ich, wie Dunham aufstand und ebenfalls den Platz tauschte, damit
er wieder hinter ihnen sitzen konnte. Verstehen Sie, was ich meine?« Der
Reverend lächelte, und Rocco dachte an das Familienfoto unter der
Scotchflasche im >Hambone's<.
    »Also.«
Der Reverend zögerte und suchte nach Worten. »Diese Kirche, sie ist eine Kirche der Mittelklasse, und es
ist nicht so, dass unsere Gemeindemitglieder keine Sorgen hätten. Aber, den
meisten von ihnen geht es ziemlich gut. Es sind Polizisten, Erzieher, Geschäftsleute,
Sozialarbeiter. Ich kenne Victor Dunham, er hat für sich und seine Familie
getan, was er konnte, aber ich glaube, für ihn ging es vor allem darum,
sonntags morgens hier zu sein, verstehen Sie, sich wohl zu fühlen unter all den frisch
gebadeten und adretten Leuten. Da gibt es immer diese Aufregung, dieses Gefühl
von Hoffnung, bevor wir anfangen, die Leute begrüßen sich, alle sind frisch
gepudert und rasiert. Ich sag Ihnen, das ist mein liebster Augenblick des
Tages, weil ich genau spüren kann, dass der Geist unter uns ist.«
    Die Sekretärin des Reverends steckte den Kopf zur Tür
herein, um zu sehen, ob er seinen Kuchen schon gegessen hatte, und warf Rocco
einen Blick zu, als wäre es seine Schuld, dass der Reverend nicht zu seiner
Zwischenmahlzeit kam. »Alles bestens, alles bestens«, sagte der Reverend und
wartete, dass sie wieder die Tür schloss.
    Rocco reckte das Kinn, um einen Themenwechsel
anzudeuten. »Also, was ist an jenem Tag passiert, als er zu Ihnen kam?«
    Der Reverend schüttelte den Kopf. »Nun, die

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