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Price, Richard

Price, Richard

Titel: Price, Richard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clockers
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frage sie, wie es denn mit uns steht, wie viele von uns denn bereit sind, die Ärmel hochzukrempeln und mit den
Riesen vor unserer Kirchentür zu kämpfen, den Riesen der Drogen, des
Alkoholismus, der Armut, frage sie, wie viele von uns die Hingabe besitzen,
dem Gebirge, das diese Stadt ist, den Frieden zu bringen, weil es Gott
gefallen würde, weil es eine Schlacht für Gott wäre.«
    Der Reverend warf Rocco einen erwartungsvollen Blick
zu. Rocco nickte, stellte überrascht fest, dass ihn die Geschichte merkwürdig
berührt hatte. »Ja«, sagte er linkisch, »irgendwie kommen sich die Leute
angesichts des Drogenproblems da draußen ja manchmal wirklich wie Heuschrecken
vor, richtig?«
    Der Reverend zielte mit einem Finger auf Roccos
Gesicht. »Exakt! He, Mann, an Ihnen ist ein Prediger verlorengegangen!«
    Rocco wurde rot. Dieser Bursche war gut.
    »Sehen Sie, bei meiner Gemeinde wäre es leicht, diese
Kirche in eine Art Festung der Dankbarkeit zu verwandeln, aber es geht nicht
allein darum, sich zu versammeln und Gott zu danken. Nein, es geht darum, nach
draußen zu gehen und Sein Werk zu vollbringen, weil, Mann, wenn diese Stadt
nicht Kalebs Gebirge ist, was dann, und diese Riesen da draußen trampeln die
Leute einfach in den Boden.«
    Der Reverend holte tief Luft. »Wie auch immer, nach dem
Gottesdienst kam ich hier in mein Büro, und dann kommen immer eine Million
Leute zu mir, eine Million Projekte laufen, aber draußen auf dem Gang«, der
Reverend kniff die Augen zusammen, so als linse er durch einen Spalt in der Tür,
»sah ich Victor Dunham, und ich hatte schon immer mal mit ihm reden wollen und
hab gesagt: >He, komm rein<, wissen Sie, ganz lässig, und er kam herein,
still, setzte sich auf Ihren Platz, und ich fragte ihn: >Wie hat dir der
Gottesdienst heute gefallen?< Er sagte: >Nicht besonders<, und ich
fragte: >Warum?< Er sagte: >He, ich lebe in den Roosevelt-Häusern, ich
hab zwei Kinder und eine Frau, ich bin Manager in einem
>Hambone's<-Laden. Mann, Sie reden davon, rauszugehen und es mit den
Riesen aufzunehmen, ich mache die ganze Zeit nichts anderes, sechs Tage die
Woche und die halben Sonntage kämpfe ich gegen die Riesen ...< Und dann
sagte er: >Ich dachte, die Kirche sollte ein Heiligtum sein, und ich komm
hierher, und Sie erzählen mir, wieder da rauszugehen<, und er lachte dieses
kleine Lachen, aber ich konnte die Sorgen in seinem Gesicht sehen, also sagte
ich: >Nun, wie geht's dir da drau ßen mit den Riesen?< Und er
sagte: >Manchmal gewinne ich, manchmal gewinnen sie<, und ich wusste
nicht genau, worauf er hinauswollte, ich dachte, dass er vielleicht selbst
Drogenprobleme hatte. Doch kaum hatte er das gesagt, griff er in die
Hosentasche und zog ein großes Bündel hervor, das in Silberfolie eingewickelt
war, und zuerst dachte ich, es sei etwas zu essen, aber als er es auf den
Tisch legte, wurde mir plötzlich klar, was es war, und da wusste ich, dass ich
zu lange gewartet hatte.« Der Reverend machte eine Pause und kaute auf den
Lippen. »Und dann sagte er zu mir: >Sie kennen den Typen, von dem Sie
geredet haben, der am Freitag ermordet worden ist?< Und ich dachte nur: >O mein Gott,
warum habe ich nur so lange gewartet?< Ich fragte: >Was ist passiert?<,
und er erzählte mir, wie der Junge ihn erschreckt hatte, als er über den
Parkplatz gelaufen war, und wie er ihn aus Reflex erschossen hatte, und, wissen
Sie, wenn so was passiert, dann muss ich so wie Sie sein, ich muss ein Cop
sein. Ich will die Wahrheit wissen. Wenn mir jemand erzählt, er habe etwas
getan, dann will ich wissen, warum, ich will alles wissen,
dann ziehe ich voll mit. Aber als er mir erzählte, was geschehen war, wie es
geschehen war, da wusste ich auf der Stelle, dass er log, und genau das hab ich
ihm auch ins Gesicht gesagt.« Der Reverend blinzelte Rocco an. »Erinnern Sie
sich noch, wie ich zu Ihnen gesagt habe, dass das alles keinen Sinn ergäbe?«
    »Ja.«
    »Der Junge
versorgt Frau und zwei Kinder, geht zur Kirche, arbeitet schwer, dann geht er
los, verübt ein solches Verbrechen, und erzählt mir eine derart fadenscheinige
Geschichte. Und als ich ihm sage, dass ich von seiner Geschichte kein Wort
glaube, da macht er einfach dicht, sagt überhaupt nichts mehr. Aber da war er
nun mal, stellte sich, also sagte ich ihm, er solle um Gottes Vergebung beten,
gleich auf der Stelle, und ich sagte ihm, er solle aber auch sich selbst
vergeben, weil man nur so seinen Seelenfrieden zurückgewinnen kann.«
    Der
Reverend hielt inne

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