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Price, Richard

Price, Richard

Titel: Price, Richard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clockers
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und zeigte dann auf Rocco. »Ich hatte mal eine Frau, die
kam hierher zu mir, sie hatte ihren Mann im Schlaf erstochen. Er hatte sie
jahrelang geschlagen, ein ganz übler Bursche.«
    »Otis
Randall?«
    »Ja, Otis.
Es war seine Frau Janelle.«
    »Ja, ich
erinnere mich daran. Sie kam allerdings damit durch, und um die Wahrheit zu
sagen, ich habe mich darüber gefreut.«
    »Das
Gesetz hat ihr vergeben und Gott wahrscheinlich auch, aber ihre Träume,
jahrelang hatte sie schreckliche Albträume, verstehen Sie, was ich meine? Das
war auch der Grund, warum ich ihm sagte, dass er sich selbst vergeben müsse.
Und dann, nun, schließlich sagte ich zu ihm: >Und du musst mit dem Gesetz
ins Reine kommen.<«
    »Gebt dem
Kaiser, was des Kaisers ist.« Rocco hatte keine Ahnung, woher das stammte, doch
der Reverend schnippte mit den Fingern und warf ihm ein betrübtes, aber
zustimmendes Lächeln zu.
    »Sehen
Sie, ich sagte doch, an Ihnen ist ein Prediger
verlorengegangen.«
    Rocco
spürte, wie er wieder rot wurde. »Nun, was hat er darauf gesagt?«
    Der
Reverend sah Rocco an und zuckte mit den Schultern. »Er sagte zu mir: >Tun
Sie, was Sie tun müssen, Reverend. Deshalb bin ich hier.<«
     
    Als er gut
vier Stunden vor Beginn seiner Schicht wieder im Büro war, fand Rocco den
ballistischen Bericht über die Waffe vor, die Victor herausgerückt hatte. Die
Austrittsspuren auf den Hülsen, die am Tatort gefunden worden waren, stimmten
mit den Spuren auf den Hülsen überein, die bei Testschüssen aus derselben
Browning neun Millimeter Automatic ausgeworfen worden waren, es war also die
Tatwaffe. Jetzt musste er herausfinden, wann der Schütze die Waffe an Victor
weitergegeben hatte. Vielleicht würde er Strike morgen den nächsten Besuch
abstatten.
    Rocco nahm die beantragte Liste der Telefonanrufe vom
>Rudy's< und fing an, die Nummern zu wählen in der Hoffnung, dass eine davon
Strike stärker in den Fall verwickelte. Die erste Nummer auf der Liste war in
der O'Brien-Siedlung; die zweite gehörte zu einem Münztelefon auf dem JFK
Boulevard, und Rocco sprach mit einem Besoffenen, der ihn ständig Chucky
nannte; die dritte war in Newark, ein kleines Kind antwortete und ließ dann den
Hörer fallen, der hin und her baumelte und gegen die Wand prallte; und die
vierte Nummer war jener fünfunddreißigminütige Anruf in Victors Wohnung.
    Rocco legte die Liste mit den Telefonnummern hin,
unterdrückte einen jähen Wutanfall und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Er
hatte sich in letzter Zeit so stark darauf konzentriert, Strike festzunageln,
dass er Victors Rolle bei der ganzen Angelegenheit mehr und mehr aus den Augen
verloren hatte. Sicher, der Junge war unschuldig, aber er war auch ein Lügner.
Rocco war immer noch nicht ganz klar, was hinter Victors Selbstaufgabe steckte
- er glaubte nicht, dass es um Geld ging, also musste es entweder eine Drohung
seines Bruders sein, die schlimmer war als die Zeit im Knast, oder irgendeine
verschrobene Vorstellung von Selbstaufopferung. Aber welche Motive der Junge
auch immer hatte, Victor Dunham hatte Rocco und den Reverend benutzt, um das
Gesetz zu behindern, und Rocco hasste es zutiefst, derart zum Narren gehalten
zu werden.
    Eine heiße Minute lang dachte Rocco daran, die ganze
Untersuchung fallenzulassen. Niemand im Dezernat fragte auch nur danach, aber
er konnte an kaum etwas anderes denken: das klassische Missionssyndrom. Aber
dann dachte er an all die glubschäugigen Nächte, die er normalerweise hier im
Büro verbrachte, all die versoffenen Mahlzeiten, und dann dachte er, wie sehr
ihn dieser Job in der vergangenen Woche wieder zu sich selbst gebracht hatte.
Er nahm wieder die Liste zur Hand, fand die Privatnummer des Jungen, griff
nach dem Telefon und dachte, dass Victor Dunham ihn vielleicht benutzt hatte,
aber um ehrlich zu sein, er benutzte den Burschen ja auch.
    Rocco fuhr
mit einer sterbenden Frau im Aufzug der Dumont Street 41 nach oben.
Sie war dreißig, fünfunddreißig, trug ein Bart-Simpson-T-Shirt über ihrem
ausgemergelten Körper und umklammerte eine Stange Zigaretten. Ihre kleine
Tochter starrte die in einen Karton eingepackte Torte an, die Rocco wie einen
Helm auf die Hüften stützte, und Rocco stritt mit sich, ob er das Siegel
aufbrechen und dieser zukünftigen Waise ein Stück abgeben sollte. Aber er
glaubte nicht, dass es unbemerkt bleiben würde, wenn er bei Victors Mutter mit
einem angebrochenen Geschenk auftauchte: Sie war argwöhnisch und
desinteressiert zugleich

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