Price, Richard

könnte, doch die meisten
schienen froh darüber zu sein, dass sie nicht angesprochen wurden.
    Im zweiten
Stock mussten sie fünf Minuten auf den Aufzug warten, alle waren jetzt nervös,
gesehen zu werden, wie sie sich hier versammelten und Zeit verloren; der
Adrenalinspiegel stieg, und Rocco musste plötzlich so dringend zur Toilette,
dass er unruhig hin und her tänzelte. Als sich der Fahrstuhl schließlich
öffnete, war er voller Kinder und Frauen. Big Chief übernahm das Kommando, ließ
alle aussteigen, die Leute murrten und jammerten, eine Frau sagte: »Wie würde
es Ihnen denn gefallen, wenn ich in Ihr Haus komme
und Ihnen sage, Sie sollen aus dem Fahrstuhl
raus?«, worauf Thumper erwiderte: »Er wohnt im Keller, Muttchen.«
    Der Aufzug
fuhr im Schneckentempo nach oben, Rocco rollte mit den Augen, versuchte
krampfhaft, seinen Harndrang zu unterdrücken, und löste sein Hüftholster, und
das plötzliche Geräusch ließ alle aufschrecken.
    »Wer geht
zuerst?«, fragte Big Chief.
    Einer der
Typen aus Jersey City - groß und muskulös, mit einem schlechtsitzenden Toupet -
sagte: »Ich«, doch Rocco überraschte sich selber, indem er sagte: »Ich geh
voran.« Er sah den Cop aus Jersey City entschuldigend an: »Das ist meine
Stadt.« Er glaubte nicht an das, was er gerade gesagt hatte - es hörte sich an
wie eine Zeile aus einem Song von Sinatra oder aus einem schlechten Film -,
aber er wollte diese Rückblende in alte Zeiten voll auskosten.
    Der
Fahrstuhl hielt im siebten Stock, und ein fettes Mädchen setzte einen Fuß
hinein, sah auf und trat freiwillig in Richtung der Treppen zurück, ohne dass
sich in ihrem Gesicht irgendetwas widerspiegelte. Aber als er im neunten Stock
stehenblieb, fuhr der Teenager, der dort wartete, mit einem etwas zu deutlichen
Erkennen in den Augen zurück, und Thumper streckte die Hand aus und zog ihn in
den Fahrstuhl.
    »Fahr mit uns, Skeeter.«
    »Yo, Thumper«, der Junge warf panische Blicke um sich,
»ich sag niemandem irgendwas.«
    »Worüber?« Thumper kettete ihn mit Handschellen an den
Haltegriff.
    »O Mann, jetzt wird Hat denken, ich hätte was damit zu
tun.« Der Junge sah aus, als würde er gleich zu heulen anfangen.
    »Beruhig dich schon, ich mach dich los, bevor wir ihn
rausholen.«
    »O Mann ...«
    »Schsch.« Thumper legte einen Finger an seine Lippen.
    Der Fahrstuhl öffnete sich endlich im zehnten Stock,
und Big Chief ging den schmutzigen dunklen Flur entlang. Alle zogen ihre
Waffen: Rocco war überrascht, dass er sie zu etwas anderem als zum Säubern in
den Händen hielt, und ein nostalgisches Gefühl überkam ihn angesichts der
Verhaftung von Buddha Hat, noch bevor sie stattgefunden hatte.
    Big Chief kauerte sich vor Apartment 12 H hin und öffnete die Sporttasche. Rocco stand hinter
Big Chief, die anderen Cops bildeten ein V hinter seinem Rücken. Rocco starrte
die Tür an, spürte das Vibrieren seiner Nerven. Keiner der Cops hier hatte
allzu große Erfahrung mit dem, was sie vorhatten, aber keiner hatte auch nur
im mindesten daran gedacht, das Sonderkommando oder ein Notfallteam
einzuschalten.
    Big Chief griff sich den Hasen und begann, den Türspalt
abzutasten und nach dem besten Ansatzpunkt zu suchen. Rocco flüsterte:
»Versuch doch erst mal die verdammte Türklinke«, und genau in diesem Moment
öffnete sich die Tür wie von selbst von innen. Mit dem Rücken zu den Cops trat
Buddha Hat über die Türschwelle und setzte einen Fuß direkt in die leere
Sporttasche, sah immer noch in die Wohnung, redete mit jemandem dort drinnen
und hatte nicht die geringste Ahnung, in welche Falle er gerade getappt war.
    Der Junge wandte sich schließlich um, und Rocco sprang
ihn direkt an, traf Big Chief aus Versehen am Kopf, ließ sich mit dem Bauch
voran auf Buddha Hat fallen, schleuderte ihn rücklings zu Boden, lag in der
Tür direkt auf ihm, atmete hörbar ein und aus, jeder Atemzug klang wie ein
Wort, und drückte ihm seine Waffe ins rechte Auge. Alle anderen Cops stolperten
über sie hinweg, beeilten sich, die Wohnung zu sichern, und jemand trat Rocco
von hinten auf die Innenseite des Oberschenkels und schrammte ihm die Haut auf.
    Rocco hörte das krächzende und sich überschlagende
Gebrüll der Großmutter: »Hat nimmt keine Drogen! Hat nimmt keine Drogen!«, und
beim Klang ihrer Stimme bewegte sich der Junge ein wenig. Rocco spürte die
knochige, krabbenhaffe Bewegung von Buddha Hats Körper, keuchte dann: »Sag
>Dempsy brennt<«, aber der Junge sagte nichts, sondern