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Price, Richard

Price, Richard

Titel: Price, Richard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clockers
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beruhigte sich und
starrte ihn mit seinem anderen Auge ausdruckslos an.
    Rocco setzte sich ein wenig auf, und die Großmutter
brüllte noch immer: »Hat nimmt keine Drogen!« Um sich abzustützen, legte er dem
Jungen seine freie Hand auf die Brust und setzte sich noch etwas weiter auf,
dann bemerkte er, dass er den Herzschlag des Jungen unter seiner Hand fühlen
konnte. Der Junge starrte Rocco mit seinem freien Auge an, atmete stetig durch
die Nase, und Rocco dachte: >Das ist vielleicht ein kaltblütiges kleines
Arschloch.< Buddha Hats einäugiges Starren versprach ihm etwas für die
Zukunft, doch Rocco war im Moment viel zu high, um darauf auch nur einen Furz
zu geben. Er drehte den Jungen auf den Bauch, setzte sich rittlings auf dessen
Hüften und legte ihm Handschellen an.
    »Hat nimmt keine Drogen!« Rocco blickte hoch und sah
die schwergewichtige Großmutter, ihre Augen sahen hinter den dicken
Brillengläsern verwirrt drein, ihre Hausschuhe schlurften über das Linoleum,
und Thumper brüllte sie an: »Wer ist noch hier? Wer ist noch hier?« Rocco, der
das Tohuwabohu um sich herum kaum wahrnahm, tastete seinen Gefangenen ab und
holte ein paarmal tief Luft, um sein eigenes Herz zu beruhigen, und die Jahre
der Lethargie waren zumindest für einen Moment vergessen, das Rauschen des
Blutes klang wie Musik, und Rocco murmelte bei sich: »Das Beste, das Beste. Das
ist das Beste.«
     
    Erin stolperte munter durch das Spielzeug auf dem
Wohnzimmerfußboden; zu dieser späten Stunde war das Kind total überdreht. Es
war zwei Uhr früh. Als Rocco, mit Wodka abgefüllt, hereingekommen war, war sie
in ihrem Bettchen aufgewacht, doch statt sie wieder in den Schlaf zu wiegen,
hatte Rocco sie herausgehoben, auf den Teppich gesetzt und einen Haufen
Spielzeug wie Rosenblätter um sie herum verteilt. Immer noch high von der
Nacht, wollte er einfach bei ihr sein, doch als er sich dort auf den Teppich legte
und sie beobachtete, schlug eine Welle der Besorgnis über ihm zusammen, wie
falsch es war, was er gerade getan hatte, wie ungesund das für sie war. Und
langsam verwandelte sich diese Besorgnis in die felsenfeste Überzeugung, dass
in fünf Jahren alles, was momentan Vorrang vor seiner Tochter hatte - Arbeit,
Alkohol, Zukunftspläne -, wie eine schäbige Erinnerung an jämmerlich
aufgeblasene Prioritäten wirken würde.
    Rocco gratulierte sich zu dieser tiefschürfenden
Einsicht, indem er aufstand und ein Gelöbnis ablegte. Sein Hochgefühl hatte
sich jetzt vollständig aufgelöst, die einzigen Überbleibsel der Flucht in die
Vergangenheit vom heutigen Abend waren die verwischte Telefonnummer auf seinem
Handrücken und der purpurne blutumrandete Halbmond auf der Unterseite seines
linken Oberschenkels.
    »Ich bin heute Abend beinahe umgekommen«, sagte er laut
zu Erin und hörte, wie hohl das klang. Das Kind hatte Glubschaugen vor
Erschöpfung; es ignorierte ihn und spielte mit zwei Schuhlöffeln aus Plastik,
schob sie langsam an einem Stuhlbein hinauf und gab ein hohes leises Geräusch
von sich. Rocco schüttelte den Kopf, sah ihr zu, fühlte sich verzweifelt und
einsam, und dann fiel ihm plötzlich wieder Victor Dunham ein, wie ein
stechender Schmerz, wie ein fast vergessenes Gebet.
     
    ***
     
    Nach der
Schießerei bei den Bänken ging Strike zu seinem Wagen zurück und fuhr zum New
Jersey Turnpike. Er hatte keine Zeit; er wollte nur schnell fahren, als ob
ungehinderte Ge schwindigkeit seinen Kopf
leerpusten und seine Hände beruhigen würde.
    Er machte
sich um Horace nicht allzu viele Sorgen: Es hatte nur nach einer Fleischwunde
ausgesehen. Tatsächlich war das in gewisser Hinsicht sogar ganz nützlich, denn
Strike hatte schon seit Tagen darüber gegrübelt, wie er ihn loswerden konnte.
Horace hätte auf Andre hören sollen; auf einer netten gemütlichen
Jugendarrestpritsche wäre er sicher gewesen.
    Irgendwo
nördlich von Newark durchlebte Strike die Schießerei im Geiste noch einmal so
intensiv, dass er bei dem scharfen Knall des erinnerten Schusses zusammenfuhr.
Er klappte die Trittleiste auf und tastete nach seiner .25er, und als er sie
nicht fand, verlor er vor Schreck fast die Kontrolle über den Wagen. Er konnte
kaum noch denken vor paranoiden Verfolgungsszenen und fuhr auf den Parkplatz
einer Tankstelle und schluckte sein Mylanta. Es dauerte eine gute halbe Stunde,
bevor ihm einfiel, dass er vor zwei Tagen seine Waffe mit in sein Zimmer bei
Herman genommen und sie dort mit den Unzen in der Schublade gelassen

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