Price, Richard
ihm
dabei half, den größeren Fisch an Land zu ziehen. Obwohl das überhaupt nicht stimmte.
Rocco wusste, dass er niemals etwas gegen Rodney in der Hand haben würde. Er
wollte den bösen Bruder. Er hatte ihn schon seit dem Abend bei >Rudy's<
gewollt, vielleicht sogar schon vorher, als ihn irgendetwas dazu brachte hatte,
in der Wohnung der Mutter um sein Foto zu bitten. Es lag etwas Richtiges in
diesem Tausch, die Symmetrie - Bruder für Bruder - war unwiderstehlich, und
Rocco sah keinen Grund, an der Klarheit dieser Version zu zweifeln!
Rocco
trottete zurück ins Büro der Staatsanwaltschaft. Bruder für Bruder: Nun, da er
seine Chance vertan hatte, Strike dranzukriegen, bestand seine letzte Chance
darin, Victor im Gefängnis zu einem Geständnis zu bewegen. Aber Jimmy Newton
hatte recht: Wenn er Victor nicht dazu brachte, seine Aussage zu ändern, dann
würde das Ganze im Zeugenstand auf die reinste Erniedrigung hinauslaufen. Jimmy
würde ihn dazu kriegen, zuzugeben, dass er nicht an die Schuld des Verhafteten
glaube, er würde ihn dazu zwingen, die Anklage völlig zu sabotieren, und ihn
zum schäbigen Geschufte auf der Mitternachtsschicht im Streifenwagen verdammen.
Rocco
erinnerte sich, was er für dummes Zeug geschwätzt hatte, als er mit Jimmy in
dem Restaurant gewesen war. Er versuchte, sich vorzustellen, wie er wieder
Streife fuhr und wie er jedes Mal voller Mühe ächzen würde, wenn er aus dem
Wagen klettern musste, um einen Zwei-Gramm-Dealer dranzukriegen, der dann
abhauen würde wie eine Gazelle. Der Gedanke war erniedrigend und untragbar - er
konnte den Job nicht am Fuße der Leiter beenden, nachdem er acht Jahre lang an
der Spitze gewesen war.
Rocco
stand an seinem Schreibtisch und fuhr mit den Fingernägeln über die Unterlage.
Es war Zeit, sich einzugestehen, dass es ein reines Hirngespinst war, wenn er
glaubte, Victor die Wahrheit über den Mord entlocken zu können. Rocco ging
durch seine Rollkartei, hielt bei Jimmy Newtons Büronummer an und beschloss,
ihn anzurufen und die ganze Sache abzublasen.
Nach dem
sechsten Klingeln fiel Rocco ein, dass es Samstag war. Jimmys private
Telefonnummer stand ebenfalls auf der Karte, aber zuerst rief er im
Countygefängnis an und fragte nach Frank Lopez, Victor Dunhams designiertem
Babysitter.
»Na, wie
macht er sich, Frank?«, fragte Rocco halbherzig, als Lopez sich meldete.
»Nicht so
gut, Mann. Er war zwei Tage lang in der Allgemeinen. Sie haben ihm seine
Turnschuhe geklaut, sein Essen, seine Zigaretten, er ist an beiden Tagen
verprügelt worden. Er hat's da einfach nicht ausgehalten, also hab ich ihn in
den Sicherheitstrakt verfrachtet, aber das war wohl auch nicht so gut.«
»Ja?
Warum?«
»Nun,
zuerst war alles okay, du weißt schon, normalerweise gibt's da nur
Kleinkriminelle und harmlose Schläger, aber dann war da dieser andere Typ,
Orel Carmichael. Dieser Orel ist echt asozial. Er kann Karate und so, er hat
schon sechs Typen verprügelt, total kleingemacht, alle zehn Minuten mit ihm
gibt's Krieg. Also mussten sie dieses Arschloch auch in den Sicherheitstrakt
sperren, aber jetzt ist er wie ein Hai im Goldfischglas, und er hat sich in deinen Jungen verknallt.
Und ich weiß ja, du passt auf ihn auf, also hab ich ihn zurück in den
Allgemeintrakt verfrachtet.«
»Wen, Carmichael?«
»Nein, Dunham.«
»Warum, zum Teufel, hast du nicht Carmichael verlegen
lassen?«
»Wohin?«
Als Rocco auflegte, hatte er wieder dieses nagende Gefühl,
endlich den Fall knacken zu müssen. Jetzt war es an der Zeit, dem Jungen auf
die Pelle zu rücken, jetzt, wo er nervös und erschöpft war, terrorisiert wurde,
bereit, alles zu sagen, um herauszukommen. In ein paar Tagen würde er
wahrscheinlich einen Termin kriegen, bei dem die Kaution herabgesetzt wurde,
würde die zehn Prozent Anzahlung beantragen und wieder draußen sein, wo er
nicht so verwundbar war. Jetzt war es an der Zeit, einem Burschen zu helfen,
der sein Lebtag beschissen worden war, von seinem Bruder, von Thumper, vom
Alkohol, von seinem Job. Victor Dunham hatte sich einzig des Verbrechens
schuldig gemacht, auf der Wahrheit zu hocken, und Rocco würde dem Burschen
helfen, sich selbst zu helfen, indem er ihn fertigmachte. Das war Roccos ältester
Spruch, aber diesmal war es nicht nur blödes Geschwätz.
Rocco sah auf die Karteikarte in seiner Hand und griff
nach dem Telefon. »Jimmy, ich bin's, Rocco ... Hör mal, Mann, du musst mich zu
ihm bringen. Ich schwöre, dieser arme Kerl ist so rein wie
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