Price, Richard

morgen anzurufen, Sonntag, da war es ruhiger. Er konnte sich nicht
vorstellen, dass der Fette am Sonntagnachmittag arbeitete, wenn er auch nur den
geringsten Einfluss hatte.
    Strike
stand am Telefon, übte ein wenig, und er richtete seine Worte in einem
schüchternen Flüstern an seine Schuhe. Es würde nur ein paar schnelle Sätze
lang dauern. Ein paar schnelle Worte, dann aufhängen. Einfach. Morgen.
     
    ***
     
    Am Sonntagmorgen gab Rocco seine Waffe an der
Sicherheitsschleuse ab und trug sich in der Besucherliste ein. Er hatte Zigaretten
und einen Stapel Magazine für Victor gekauft; ein Wachbeamter blätterte durch
die Magazine und durchsuchte Rocco nach Stoff, Waffen oder sonstiger
Schmuggelware. Dann rief der Wachmann Jimmy Newton im Besprechungszimmer an.
    »Er ist hier. Wollen Sie ihn immer noch sehen?«
    Rocco wurde in den zweiten Stock und bis ans Ende eines
schmalen Flurs geführt, der mit Gefängniskunst dekoriert war. Das
Besprechungszimmer war kahl und stickig, hatte eine furchtbare silbrige Tapete
und kein Fenster, abgesehen von dem in der Tür. Jimmy und Victor saßen an einem
alten Bibliothekstisch, Victor trug T-Shirt, Trainingshose und
Gummibadelatschen. Rocco gab beiden die Hand, Jimmy blickte angespannt drein,
und Victor, dessen Augen trübe waren vor Erschöpfung, sah aus, als sei er
gerade vom Rand der Welt gestürzt. Victors Handschlag war federleicht und
zittrig: >Wunderbar<, dachte Rocco, >genau richtig<. Auf dem Tisch
befanden sich Jimmys Aufzeichnungsgerät, eine Abschrift des Geständnisses und
der Verhaftungsbericht; Rocco ließ die Magazine und die Zigaretten daneben
fallen und setzte sich.
    »Wie geht's, Victor, erinnerst du dich an mich?«
    Der Bursche nickte und richtete seinen Blick auf den
Tisch.
    »Ich dachte, du könntest was zum Lesen gebrauchen, ich
hab gehört, hier drin wird's ziemlich langweilig.«
    Victor hob einen Mundwinkel, sagte aber nichts.
    »Na gut ...« Jimmy stellte den Recorder an. »Victor?
Detective Klein ist hier, um mit dir zu reden, und, ahm, wie ich schon sagte,
ich rate dir dringend, zu diesem Zeitpunkt nicht mit ihm zu sprechen. Ich habe
dich ja bereits darauf hingewiesen, wenn du irgendetwas während dieser
Befragung sagst, das direkt im Zusammenhang mit dem Tod von Darryl Adams steht,
dann kann das gegen dich verwendet werden. Also, noch einmal, mein Rat ist, nicht mit ihm zu reden. Aber wenn du von deinem Recht zu
schweigen keinen Gebrauch machen willst, dann kannst du jetzt mit diesem Mann
reden ...«
    Rocco behielt seine ernste Miene bei, während Jimmy
seinen Monolog hielt. Er wusste, dass Jimmy hier nur auf Band seinen Hintern
decken wollte, um sich gegen Vorwürfe von Inkompetenz abzusichern, aber er
wusste auch, dass Jimmy genauso neugierig war wie er, was bei diesem Gespräch
ans Licht kommen würde. Jede Erwähnung von Strike, seiner Dealerei oder seinem
Aufenthaltsort würde eine ganze Flut falscher Fährten produzieren, wenn der
Fall vor Gericht käme. Tatsächlich konnte Jimmy, wenn Rocco jetzt seine Zweifel
an Victors Schuld zum Ausdruck brachte, sogar eine Klage wegen nachlässiger
Dienstführung nach der Verhaftung einreichen, da die Inhaftierung seines
Klienten auf einem Geständnis basierte, zu dem es keine Zeugen und keine
Bestätigung gab. Also, egal, welcher Bruder auch erwähnt wurde, Rocco konnte
sich auf Band selbst ans Messer liefern, und alle Welt würde es hören.
    »Willst du auf deine Rechte verzichten und mit diesem
Mann reden?«
    Victor bewegte seinen Kopf irgendwo zwischen Ja und
Nein. Jimmy hatte Rocco am Telefon erzählt, dass der Junge das Gespräch zuerst
rundweg abgelehnt, dann aber seine Meinung geändert hatte, auch wenn er
gleichzeitig darauf beharrte, dass er seinem Geständnis nichts hinzuzufügen
hatte. Was nur Roccos Vermutung bestätigte: Warum sollte Victor dem Gespräch
zustimmen, wenn es nicht irgendetwas gab, das ihm am Herzen lag?
    »Detective Klein, ich möchte hier ein paar Grundregeln
für die Unterredung festhalten. Ich werde keine an meinen Klienten gerichteten
Fragen zulassen, die mit dem Mord an Darryl Adams zu tun haben. Alles, was er
Ihnen vielleicht vor diesem Treffen bezüglich dieses Themas gesagt hat, ist
ausgeklammert. Stellungnahmen anderer hinsichtlich seiner Beteiligung sind
ebenfalls ausgeklammert. Mit anderen Worten, ich will, dass dieses Gespräch in
keiner Weise in ein Verhör ausartet, und wenn ich das Gefühl habe, dass Sie
versuchen, ihn hereinzulegen oder in irgendeiner Form zu