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Price, Richard

Price, Richard

Titel: Price, Richard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clockers
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anwesend. Er war erstaunt, wie
gebrechlich der Mann gewirkt hatte - nur noch ein Schatten seiner selbst. Und
dann erst ging Strike auf, was er gesehen hatte, als Erroll leibhaftig vor ihm
gestanden hatte: In seinem Gürtel direkt vor seinem Bauch hatte eine .38er
gesteckt.
    Rodney kam
zurück und besah sich das Koks auf dem Tisch, während er sich die Schürze
hinter dem Rücken zuband. »Der alte Erroll wird nicht mehr lange in der Gegend
sein«, sagte er leise, als ob Erroll an der nächsten Wand lauschen würde.
    »Steht er
vor 'ner Verurteilung?«
    Rodney
verzog leicht das Gesicht. »Er hat den Virus.«
    »Virus?«
Strike verlor die Kontrolle über seine Gesichtsmuskeln. Der Virus war für ihn
etwas aus dem Monsterschrank. Berührung, Infizierung, Kontamination - der Virus
traf direkt ins Herz seiner lebenslangen Angst vor anderen, eine grässliche
Erinnerung daran, dass er seinem Instinkt, auf Distanz zu bleiben, die Treue
halten sollte. Bei dem Virus handelte es sich nicht um eine Krankheit; es war
eine persönliche Botschaft von Gott oder dem Teufel, und in Strikes Phantasie
sah der Überträger so ähnlich aus wie Erroll Barnes. Dass Erroll Barnes den
Virus hatte, war wie Tod im Quadrat.
    »Ja, der
alte Erroll ...« Rodney setzte sich wieder. »Der Nigger macht ja meistens nur
viel Wind und blufft, aber alle haben allein schon der Legende wegen eine
Heidenangst vor ihm, Mann, dass die Leute noch zwei Jahre, nachdem er gestorben
ist, auf Zehenspitzen laufen werden.« Strike versuchte, sich daran zu erinnern,
ob er Erroll irgendwie berührt hatte. Er bildete sich ein, dass ihm irgendwas
das Bein hinaufkletterte, und auf einmal schwitzte er tierisch.
    »Ja, hast
du nicht diesen weißen Scheiß oben in seinem Mund gesehen? Das ist der Virus,
Mann. Letzte Woche musste ich ihn wie ein Baby die Treppe rauftragen.« Rodney
schüttelte traurig den Kopf, während er die Tüte in den Wok leerte. Dann fügte
er nach Augenmaß zwei Unzen Laktose zu, zog die Frischhaltefolie über die
Schüssel, schob den Schneebesen durch einen Schlitz und machte sich über das
viertel Kilo her, als rühre er Schlagsahne.
    »Erroll
hat die Nadel ein wenig zu spät aufgegeben, verstehst du? War ganz stolz auf
sich, dass er auf Methadon umgestiegen ist. Tss-tss. Deshalb verkauf ich diesen
Heroinscheiß nicht mehr. Einfach zu widerlich.«
    Strike
umarmte sich selbst und klemmte seine Hände unter die Achseln, während er
zusah, wie Rodney den Stoff aufbereitete. Er reckte sein Kinn nach dem Wok. »Is
das Papis?«
    »Nein,
Mann, das ist für Champ, das ist für die Ampullen«, sagte Rodney verächtlich.
»Erroll hat Papis Scheiß woanders abgelegt. Das ist für den Nachschub von
heute. Du hilfst mir, das Zeug abzufüllen, dann werd ich dich zu deinem Wagen
fahren.«
    Strike
wusste nicht viel über Rodneys Dealerei mit Kiloware. Er wusste, dass Erroll
den Stoff abholte, wenn Rodney sein wöchentliches Kilo von Champ kaufte, es in
Viertel teilte und drei der Viertel an drei alte Leute lieferte, die den Stoff
im Tausch für ihre Miete aufbewahrten. Erroll lieferte das letzte Viertel bei
Rodney zum Abfüllen ab. Rodney tat es gern selbst und verwandelte
zweihundertfünfzig Gramm in etwa achthundert bis tausend Zehn-Dollar-Ampullen.
Etwa jeden zweiten Tag, wenn die Ampullen auf der Straße knapp wurden, brachte
Erroll ein weiteres Viertel vorbei. In der Regel streckte Rodney jeden zweiten
Nachschub, schickte die erste Ampullenlieferung unverschnitten auf die Straße,
sorgte so dafür, dass die Junkies total heiß waren auf den Qualitätsstoff, so
dass zu dem Zeitpunkt, wo es sich rumgesprochen hatte und die erste Lieferung
verkauft war, das zweite Viertel auf der Straße war, nicht so gut, aber mit
einem Markt, der aufs Zugreifen getrimmt war. Und zu dem Zeitpunkt, an dem
alles verkauft war und sie sich zu beschweren begannen, dass der Stoff
schwächer war, tauchte das dritte Paket wieder ganz stark und rein auf, es
sprach sich rum, und der einsetzende Boom reichte bis zu den Ampullen des
letzten Viertels, das Rodney wieder gestreckt hatte.
    All die
Junkies kannten Rodneys Spielchen, und jeden Tag versuchten sie
herauszufinden, welches Viertel gerade raus war. Aber selbst wenn sie nur eine
schwächere Ampulle abbekamen, hingen sie immer noch herum, weil die morgigen
Ampullen wahrscheinlich besser waren. Rodney machte mehr und schneller Geld als
sonst jemand in der Stadt, weil sein Stoff die halbe Zeit der beste der Stadt
war und weil, wie Rodney

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