Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Price, Richard

Price, Richard

Titel: Price, Richard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clockers
Vom Netzwerk:
mehr als einmal zu Strike gesagt hatte, »alle
herausfinden wollen, was sich hinter der Tür Nummer drei verbirgt«.
    Als er
bemerkte, dass er sich wieder einmal in einer endlosen Liste all der Dinge
verlor, die Rodney ihm im Laufe des vergangenen Jahres beigebracht hatte, fiel
Strike plötzlich ein, an wen Rodney ihn erinnerte: an Wilson Pickett. Strikes
Vater hatte eine Platte mit Songs von Wilson Pickett im Haus gehabt, als Strike
klein war, und das singende Gesicht auf der himmelblauen Plattenhülle war dem
Rodneys beinahe täuschend ähnlich. Strike erinnerte sich. Damals, als er klein
war - fünf, sechs - und sein Vater noch lebte, genehmigte sich der manchmal
ein paar Biere und rief die Jungs ins Wohnzimmer. Sie mussten sich dann auf die
grüne Couch gegenüber vom Plattenspieler setzen, und er sang ihnen vor,
begleitete Wilson Pickett bei >International Playboy< oder die
Impressions bei >It's All Right<. Strikes Vater war nie ein starker
Trinker gewesen, und wann immer er ein wenig über den Durst getrunken hatte,
wurde er nicht böse oder gewalttätig, sondern wollte nur reden, zum Beispiel
darüber, dass er ein professioneller Sänger hätte werden können, dass er in
Jersey City mit Kool von Kool and the Gang aufgewachsen war und dass Kool ihn
in der Gruppe hatte haben wollen, aber er habe abgelehnt, weil er nicht wollte,
dass »eure Mutter« sich um alles allein kümmern musste, während er auf Tour
ging. All das erklärte er Strike und seinem Bruder Victor, sie saßen beide
ganz ernst und schweigsam auf der Couch, baumelten mit den Beinen und
erschraken nur ein klein wenig, wenn ihr Vater plötzlich mit einem lauten,
kraftvollen Tenor, der das Wohnzimmer in eine Kirche der Trauer verwandelte, in
>Ninety Nine and a Half Just Won't Do< oder >I Found a Love<
ausbrach.
    Rodney
nahm sachte die Frischhaltefolie ab, schüttelte vorsichtig etwas Koks aus den
Falten zurück in den Wok und schlug sanft den Schneebesen gegen den Rand. Er
zog unter der Couch mehrere graue Kartons hervor, reichte einen davon Strike
und öffnete selbst einen. Jeder Karton enthielt ein Gros an Glasampullen von
etwa fünf Zentimetern Länge und einem Zentimeter Durchmesser. Dann folgten
zwei Plastiktüten, jede mit Hunderten winziger purpurfarbener Stopfen gefüllt.
Purpurne Stopfen waren Rodneys Markenzeichen. Wurde irgendjemand dabei
erwischt, dass er Ampullen mit andersfarbigen Stopfen in Rodneys Territorium
verkaufte, ob er nun für Champ arbeitete oder nicht, dann hatte Rodney das
Recht, ihm den Stoff abzunehmen und ihn ins Krankenhaus zu befördern - etwas,
das er nur einmal bei einem Clocker mit grünen Stopfen hatte tun müssen, vor
sechs Monaten etwa, damit alle in der Stadt die Botschaft verstanden.
    Strike
besah sich die ganze Kleinarbeit, die vor ihnen lag, und dachte darüber nach,
dass er von allen Gleichaltrigen, die er kannte er war neunzehneinhalb -, der
Einzige war, der kein Interesse an Musik hatte; seine Gedanken wanderten
wieder zurück, und er hörte seinen Vater im Wohnzimmer singen, spürte das
knubblige Gefühl der grünen Couch an den Innenseiten seiner Beine und schreckte
auf, als Rodney ein Taschenmesser aus der Schublade eines Beistelltisches nahm,
die Klinge in die Schüssel senkte und Strike einen satten Hit anbot. Strike
starrte ihn nur an, war nicht zu Scherzen aufgelegt; keiner von ihnen beiden
trank auch nur Bier, obwohl Rodney in den Siebzigern heroinsüchtig gewesen war.
    »Ja, ich
hab einen Partner bei der Papisache ...«, sagte Rodney gedehnt, während er das
Koks von der Messerspitze wieder in den Wok fallen ließ, nahm dann zwei
Glasampullen, eine in jede Hand, und tauchte sie vorsichtig in die Mischung.
Dann tippte er sie gegeneinander, damit sich das Koks setzte, und maß mit dem
Auge etwa ein zehntel Gramm ab. »Aber der ist ein echter Gauner. Ich hab gerade
rausgefunden, dass der Nigger mich von Anfang an übers Ohr gehauen hat.«
    »Ach ja?«
Strike zögerte, bevor er sich an der Abfülloperation beteiligte. Ein paar
Minuten arbeiteten sie schweigend, bis sie ihren Rhythmus gefunden hatten wie
zwei Holzfäller an einer Zwei-Mann-Säge. Zusammen schafften sie fünfundzwanzig
Ampullen die Minute.
    »Haut dich
wie übers Ohr?«, fragte Strike schließlich.
    Die
Türklinke klapperte. Vorsichtig und schnell stellte Rodney den Wok zwischen
seine Füße und die Kartons auf den Boden. Die gefüllten Ampullen verschwanden
in seinen Händen und dann unter der Couch.
    Die
Wohnungstür wurde geöffnet,

Weitere Kostenlose Bücher