Price, Richard
Scheiße, das ist schon fast legal, so wie wir das aufgezogen haben.«
Wenn das
auch nur zur Hälfte stimmte, und Rodney war ein verdammter Lügner, kam Strike
auf fünfunddreißig Unzen und hundert für jeden. Er merkte, dass er wütend
wurde, und dachte: >Erzählst du mir was, oder bittest du mich um was?<
Ohne so recht zu wissen, was er sagen würde, wenn es eine Bitte war.
»Wir haben
keinen Ärger mit den Cops, keine zehn Dollar hier, zehn Dollar da, keine
Junkies mit dreckigen kleinen Augen, die sich die Lippen lecken. Ich sag dir,
Mann, es ist nett.«
Strike
träumte seinen Traum: nie mehr auf der Bank herumlungern, kein Kleinhandel
mehr, ein Leben ohne den Fury. Doch gleich danach tauchte das Zeitungsfoto von
einem Dealer auf, der sich letztes Jahr selbständig gemacht hatte; als die
Polizei ihn fand, steckte ihm der Messingspion seiner Wohnungstür im Gesicht,
mit freundlichem Gruß von einer Schrotflintensalve aus dem Hausflur. Mit Champ
machte man nicht rum. Strike war hin- und hergerissen zwischen Visionen vom
Paradies und vom Überleben.
»Wenigstens
war es nett, aber der Nigger ist ein Dieb,
also, na, du weißt schon ...« Rodney sah Strike in die Augen, wie jemand, der
einen über zerbombte schwarze Erde ansah, und Strike starrte zurück und war so
still wie eine Katze.
Rodney
legte den Kopf zur Seite und sprach mit fürchterlicher Sanftheit. »Der Typ muss
verschwinden.«
Das war es
also. Strike hatte die ganze Zeit geglaubt, dass Rodney ihm irgendetwas umsonst
anbieten würde, doch nun erzählte ihm Rodney, dass die Partnerschaft was
kostete und dass der Preis geradezu unsinnig hoch war. Aber trotzdem konnte
sich Strike nicht vorstellen, nein zu sagen.
»Ja, der
alte Erroll will in den Himmel, ist das nicht ein Ding? Nutzloses
Virusarschloch - nach allem, was ich für ihn getan habe.«
Strike war
einen Moment lang verwirrt und dachte, dass Rodney vielleicht die ganze Zeit
davon sprach, Erroll um die Ecke zu bringen. Aber das ergab keinen Sinn, Rodney
veranschaulichte nur das Problem. Nur, wer war denn der Partner, von dem er
redete? Es machte noch keinen Unterschied, war im Augenblick von zweitrangiger
Bedeutung.
Strike
stellte sich das Für und Wider vor, Fury gegen Champ, und für wie viel länger
man in den Knast muss, wenn man mit Unzen und Kilos statt mit Ampullen
handelte. Aber unter den praktischen Erwägungen pulste etwas, sein Herz war
voller Farben, leuchtenden Farben, die nichts mit dem Geschäft oder der Strafe
zu tun hatten. In manchen Sachen war er einfach unschuldig, er kannte sich
nicht aus, aber irgendwo in seinem Kopf verstand er ohne Wort, aber deutlich,
dass sein ganzes Leben lang etwas in ihm gewachsen war - sein Stottern, das
Brennen in seinen Eingeweiden, die manische Vorsicht, die blöde Kontrollsucht,
das dauernde Umschlagen von Ekel in Zorn -, das alles verlangte nach einer
Lösung, wie sie ihm gerade geboten wurde.
»Und du
flippst aus, wenn ich dir sage, von wem ich rede.«
Strike
wusste, dass Rodney versuchte, ihn auf die Folter zu spannen, ihn zu fesseln.
Aber dafür gab es jetzt keinen Grund mehr. Strike war derart übermannt, derart
erfüllt von primitiver Erkenntnis, dass seine Hände zitterten.
»Du
verkaufst diesen Scheiß außerhalb der Stadt, stimmt's?« Es waren nur Worte.
»So
ähnlich«, sagte Rodney freundlich. »So ähnlich.«
»Ja ...
ahm.«
»He, was
zum Teufel machst du da!« Rodneys Stimme erhob sich zu einem rohen Krächzen.
»Was?«
Strike schreckte auf, als sei ein Alarm losgegangen. »Sieh dir bloß das an ...«
Rodney wies auf die letzten hundert Ampullen, die Strike zugestöpselt hatte.
Er hatte vergessen, Koks einzufüllen.
Strike
starrte die leeren Phiolen an und schüttelte den Kopf. Grunzend fragte er
sich, ob das wohl das Gefühl war, wenn man high war.
Strike
fuhr von Rodneys Laden zurück zu den Bänken, vergaß, an den roten Ampeln die
Ohren zu spitzen, vergaß die Überfallkünstler aus Newark, gab auf dem Boulevard
sogar ein wenig Gas.
Strike war
so überwältigt von seiner Entscheidung gewesen, den Sprung zu wagen und das
Ding durchzuziehen, dass er kaum einen Gedanken an das Opfer verschwendet
hatte. Aber als Rodney Darryl Adams' Namen fallenließ, hätte es Strike beinahe
umgehauen; er stolperte rückwärts gegen den Kaffeetisch und ließ sich in den
Sessel plumpsen.
Darryl
Adams: das am schwersten arbeitende und am seltensten lächelnde Kind in der
Geschichte des Lebensmittelhandels. Strike hatte ein ganzes Jahr
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