Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Price, Richard

Price, Richard

Titel: Price, Richard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clockers
Vom Netzwerk:
und hatte
immer Geld für sie, was also sollte sie sonst annehmen? Außerdem hatte sie ihn
an dem Tag, als sie sich kennenlernten, bei der Arbeit gesehen, als sie zur
Roosevelt-Siedlung gekommen war, um eine Freundin zu besuchen, hatte Strike auf
der Bank sitzen und offenbar nichts tun sehen, außer dass er die ganze
Dealerei um sich herum beaufsichtigte. Sie war in die Wohnung ihrer Freundin
gegangen, sechs Stunden später wieder herausgekommen, und er hatte immer noch
auf der Bank gehangen, als hätte er sich nicht gerührt. Crystal stellte sich
vor ihn hin, lächelte ihn mit ihrer kleinen Zahnlücke an, hellgrüne Augen in
einem herzförmigen Gesicht, und fragte: »Tut dir nicht der Hintern weh?« Er
antwortete: »Nein«, hörte sich ein wenig schlechtgelaunt und schüchtern an,
aber sie merkte alles und sagte: »Warum siehst du denn so traurig aus?«
    Das hatte
Strike getroffen. Er konnte nicht sagen, warum, aber es ging ihm richtig nahe.
    Strike
hatte sie einmal gefragt, was sie an ihm mochte, und sie hatte gesagt, sie möge
einfach, dass er so gefasst wirke: sauber, reinlich, ohne Protzerattitüden,
aufmerksam, ganz ernsthaft und gelassen. Sie sagte auch, dass er zu dünn und
sein Kopf irgendwie zu klein sei, fügte dann aber hinzu, dass er mehr Reife als
die meisten anderen seines Alters besitze. Nachdem sie ihm all dies gesagt
hatte, war er zwei Tage lang herumgelaufen und hatte seinen Schädel in die
Hände genommen und befühlt, hatte anderer Leute Köpfe betrachtet und war zu
dem Schluss gekommen, dass Peanuts Kopf noch kleiner war - deshalb nannten sie
ihn ja Peanut.
    Nachdem
Strike und Crystal etwas miteinander angefangen hatten, brachte er sie dazu,
ihre Freundin in der Siedlung aufzugeben. Er mochte einfach nicht, dass sie mit
ihrer Freundin über ihn und seine Geschäfte tratschte. Strike kam normalerweise
ein-, zweimal die Woche unangemeldet vorbei, spätnachts. Er sah ein wenig
fern, aß vielleicht ein wenig. Sie schliefen miteinander, wenn auch nicht
jedes Mal. Er schlief nur selten in ihrem Bett ein, aber manchmal blieb er über
Nacht, und er ließ ihr immer Geld da. Zuweilen kam er etwas früher, zum
Beispiel an lahmen Samstagabenden, und führte sie und ihren Sohn zum Essen aus
und danach in ein Kino auf der Fordham Road. Er mochte weder Kinos noch
Restaurants - sie machten ihn ungeduldig -, aber er nahm an, dass das
dazugehörte, wenn man mit jemandem zusammen war - neben dem Geld, das er ihnen
daließ. Tatsächlich hatte er keine klare Vorstellung davon, warum er sich auf
diese Beziehung eingelassen hatte, außer dass er darauf wartete, dass Crystal
ihm wieder etwas sagen würde wie: >Du siehst traurig aus<, nicht genau
diese Worte, aber etwas, das ihm ein Gefühl geben würde wie damals, als sie ihm
das am ersten Tag gesagt hatte.
    Manchmal
bekam er bei dem Gedanken schlechte Laune, dass Crystal ihn vielleicht mehr
wegen dem mochte, was er nicht war, als wegen dem, was er war: Er war nicht
durch Drogen versaut, er vermöbelte sie nicht, er nahm ihr kein Geld ab und
steckte sie nicht mit Aids an. Manchmal fragte er sich, ob der Grund, dass sie
mit ihm ging, nicht darin bestand, dass er eine Lücke ausfüllte, ohne ihr
Kummer zu bereiten.
    Strike
parkte den Accord in einer Garage, die die ganze Nacht geöffnet hatte, schob
die Waffe hinter die Gürtelschnalle und ging vorbei an Eckläden mit
Lebensmitteln, an Reihen älterer Männer, die an Mauern lehnten, an
halbwüchsigen Mädchen, die auf Kotflügeln saßen, und Teenagern, die laute und
nervöse Dinge taten, um die Aufmerksamkeit des anderen Geschlechts zu wecken.
Der Block war ethnisch ein Mischmasch - Puerto-Ricaner, Dunkelhäutige,
Afrikaner, sogar ein paar Vietnamesen -, und Strike dachte, dass dies wohl eine
gute Sache war, weil die meisten Menschen nicht dazu neigen, sich mit anderen
fremder Rasse anzulegen. Er bemerkte den Dopeverkehr, der sich auf dem weit
hineinreichenden Vorderhof eines Gebäudes abspielte, aber sie traten
vorsichtig auf und drückten sich in den Schatten. Es hätte weitaus schlimmer
sein können.
    Es kam ihm
komisch vor, gleich nachdem er darüber geredet hatte, tatsächlich jemanden zu
erschießen, mit der Waffe herumzuspazieren. Die kleine .25er war ihm stets
unwirklich vorgekommen, doch gerade jetzt, während er an all diesen Leuten
vorbeikam, schien das Teil seinen Bauch hinaufzuatmen und Zähne zu bekommen,
und Strike merkte, dass er sich zum ersten Mal seit der Unterredung mit Rodney
fragte, ob er wirklich

Weitere Kostenlose Bücher