Price, Richard
Gewalt zufälliger und unpersönlicher wurde bei all dem
Crack und dem minderwertigen Koks da draußen heutzutage. Bei der Mordkommission
in Dempsy lief die Schicht von vier bis zwölf meist auf Folgendes hinaus: auf
das Anstarren übergroßer Speisekarten und die Frage, was man essen sollte, auf
die Videos und die Nachrichtensendungen in der Büroglotze und auf das Warten,
dass endlich das Telefon klingelte oder die Pager piepsten.
Touhey saß
mit den Ellbogen auf dem Tisch da, eine Hand vor dem Mund, und sah nachdenklich
drein. Sein Mineralwasser mit Limone hatte er bislang nicht angerührt. Neben
Rocco kauerte Mazilli über seinem Scotch, schlürfte ihn durch einen Strohhalm,
seine Hände unter den Armen verborgen.
Touheys
Blick begegnete dem Roccos. »Ich glaube, ich begreife jetzt, was Sie wegen dem
Regenbogen meinten.«
»Ja? Gut.«
»Welcher
Regenbogen?« Mazilli klang, als gurgle er, als er den Grund seines Glases mit
dem Strohhalm abfuhr.
»Hast du
jemals diesen Regenbogen in dem Käfig gesehen?«
»Nein.«
»Da sehen
Sie's«, sagte Rocco. »Nichts für Mazilli, wenn er es nicht essen, vögeln oder
verkaufen kann.« Er grinste Touhey an.
»Was
glauben Sie wird mit Maldonado heute Nacht geschehen?« Touhey sah besorgt aus.
»Was
geschehen wird? Sie haben doch diesen dicken, verdammten, nach Schweiß
stinkenden Gorilla mit der Scheiße am Schwanz gesehen. Er wird folgendermaßen
seinen Arm um ihn legen ...«, Mazilli nahm Rocco in den Schwitzkasten, »und
dann wird er ihn mit seinen dicken, reifengroßen Lakritzlippen folgendermaßen
abknutschen ...« Mazilli legte seine Hand wie einen Seestern von der Schläfe
bis zum Kinn auf Roccos Gesicht und machte ein lautes saugendes Geräusch, das
mit einem Plopp endete. »Wird ihm das verdammte Auge auslutschen und sagen:
>Du bift mein Nelfon.< Genau darauf darf sich Maldonado heute Nacht
einstellen.«
Touhey
starrte Mazillli an.
»Können
Sie sich vorstellen, dass dieser Typ für die nächsten zwei Wochen
stellvertretender Chef der Mordkommission ist?« Rocco wies mit dem Daumen auf
Mazilli und versuchte, die Situation aufzuheitern.
»Warum
fragen Sie nicht nach Henderson?« Mazilli blinzelte den Schauspieler an. »Haben
Sie die Fotos von Henderson gesehen? Warum fragen Sie nicht nach ihm? Oder
seinen Kindern? Oder seiner Frau?«
»Maz ...
immer mit der Ruhe.«
»Nein, he,
was ich sagen will, ist, dieser Typ, Sie ...« Er deutete auf Touhey. »Ich
meine, Sie sind wahrscheinlich ein guter Mensch und so weiter, Sie wollen den
anderen helfen, Sie sorgen sich, so >hier bin ich, wo tut's denn weh<,
richtig? Richtig?« Er wartete, bis Touhey zögerlich zustimmend mit den
Schultern zuckte. »Ja? Nun, ich habe Ihnen Folgendes zu sagen: Sie haben nicht
den blassesten Schimmer. Die Grenzen sind gezogen. Weiße und Schwarze sind
nicht dafür bestimmt, miteinander zu leben. Wissen Sie, warum Henderson umgebracht
wurde? Er hat Angst gezeigt.«
»Nun,
okay, aber ...« Touhey klang verunsichert. »Er hat ein vierjähriges Kind
angefahren, nicht?«
»Er ...
hat... Angst... gezeigt.« Mazilli brüllte es heraus. »Weiße Leute zeigen
ihre Angst, weiße Leute lächeln, weiße Leute sagen bitte und danke - für die
Weißen ist das alles reine Höflichkeit, okay? Das ist nur menschlich. Aber für
die Schwarzen? Die Spanier? Nicht für alle von denen, aber die, die am Boden
sind? Da sind das alles Zeichen von Schwäche, so als ob man Köder aufs Wasser
streut, so ist das nun mal.«
Die
Kellnerin brachte Mazilli einen weiteren Scotch. Er griff nach der Hand der
alten Dame. »Hab ich recht, oder hab ich recht?«
Die
Kellnerin zuckte mit den Schultern. »Das letzte Mal, dass ich gewählt habe? Das
war Kennedy.«
Rocco
zögerte, Touhey anzusehen, aber als er es dann doch tat, stellte er zu seiner
Überraschung fest, dass der Schauspieler ein Gesicht machte, als hätte er
gerade etwas Erstaunliches entdeckt.
»>Was
geschieht mit Maldonado<«, murmelte Mazilli. »Interessieren Sie sich für
die Unterdrückten? Ihre Not? Ich sag Ihnen mal was. Bevor Sie sich mit ihnen
hinsetzen, sollten Sie besser anfangen, wie sie zu denken und zu handeln, sonst
enden Sie wie Henderson mit heraushängenden Augäpfeln.«
Die
Kellnerin stand vor ihnen. »Wisst Ihr Jungs, was Ihr bestellen wollt?«
»He, ich
hab mich nicht fürs soziale Jahr gemeldet, ich hab nur gefragt.« Touhey schien
jetzt ruhiger zu sein und beinahe zu lachen.
»Ja, nun,
ich habe nur geantwortet.« Mazilli steckte die
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