Price, Richard
>Ahab's< Bescheid:
Scheiße, wahrscheinlich wussten alle Bescheid.
»Muss
erledigt werden«, sagte Victor erneut und schlug sanft mit der Faust auf den
Tresen.
Strike
hörte einen Anflug von Wut unter dem Spott in Victors Stimme heraus, aber er
konnte nicht sagen, ob seine Wut gegen ihn oder gegen Darryl gerichtet war.
Ohne darüber nachzudenken, nahm Strike einen Schluck von dem
Dreck-und-Rost-Cocktail und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund.
»Ich kenn
jemanden, der das übernehmen würde«, sagte Victor, während er sich wieder
seinem Gekritzel zuwandte.
»Was hast
du gesagt?« Strike starrte Victors Konterfei in dem schmierigen Spiegel an.
»Ich
sagte, ich kenn jemanden, der das übernehmen würde.« Er sah Strike mit einem
schnellen, ernsten Blick in die Augen.
»Wer?«
Strike konnte die Hoffnung aus seiner Stimme heraushören.
»My Man.« Victors
Blick fiel wieder auf sein Geschreibsel, als wenn er damit alles erklärt hätte.
»My Man? Wen meinst du?«
»Diesen
Typ.«
»Du kennst
ihn?«
Victor
fixierte ihn wieder mit diesem kalten, ernsten Blick im Spiegel. »Ich sagte,
er ist mein Mann, oder?«
Strike
wusste plötzlich, was zu tun war: Gib's weiter. Scheiße, das macht Rodney auch.
Gib's weiter.
»Wofür
würd er's machen?« Er nahm einen Schluck Coco Lopez, versuchte alles, sich
möglichst zwanglos anzuhören.
Victor
zuckte mit den Schultern. »Für nichts ... Für mich.«
Der
Barkeeper goss Victor noch einen Drink nach, und Strike wandte instinktiv
seinen Kopf zur Seite, damit es so aussah, als hätten sie einander nichts zu
erzählen.
»Woher
kommt er?«
»Von
hier.«
»Was soll
das heißen, von hier?«
»Aus der
Stadt, der Siedlung ...«
»Weil,
diese Lady meint es ernst.«
Victor
stürzte seinen Drink hinunter. »Mein Mann meint es auch ernst.«
»Kenn ich
diesen Typ?«
»Ich weiß
nicht. Ich hab keine Ahnung, wen du kennst. Aber vielleicht schon, ja,
vielleicht.«
Strike
beschloss, keine weiteren Fragen zu stellen: Was er nicht wusste, konnte ihm
später nicht zur Last gelegt werden. »Weil, diese Lady wird zahlen. Geld spielt
für die keine Rolle.«
Sie
verfielen in Schweigen. Strike dachte, das ist toll, das ist perfekt, gib's
weiter. Gib's weiter. Er spürte eine Welle der Erleichterung. Er benutzte
seinen Verstand, wie immer, und dachte darüber nach, wie das weitergehen
sollte, wie er es spielen sollte, als Victor plötzlich verkündete: »Würd' dir
die Zeit im Knast zu lang, fang besser keinen Ärger an.« Er sagte es wie ein
Fernsehansager mit tiefer Stimme und begann mit einer neuen Serviette, die
erste ein tintenklecksiger verrückter Flickenteppich.
»Wer
spielt, zahlt.« Victors Stimme klang immer noch theatralisch und überdreht, und
jetzt merkte Strike, dass sein Bruder ziemlich betrunken war.
Strike
warf einen Blick durch die Bar, über all die Insassen, die alten Leute, die
gelbäugigen Trinker, und seine Augen landeten auf Victors gebeugten Schultern,
auf seinem Bruder, der wahrscheinlich der verrückteste Betrunkene im Raum war
und genau solchen Mist redete wie sein Vater. Strike konnte es kaum fassen; er
hatte so verzweifelt nach Hilfe gesucht, dass er blind gewesen war für Victors
Zustand und sofort auf diesen Scheiß reinfiel. Dann verwandelte sich seine
Enttäuschung in Wut, und es tat ihm leid, dass er überhaupt den Mund aufgemacht
hatte. Er hatte sich noch tiefer ins Loch hineinmanövriert: Nun war sein
Bruder nichts anderes als noch ein weiterer Zeuge, wo er die Nacht über
gewesen war. Und er hatte Darryl auch noch schlechtgemacht - Scheiße ...
Scheiße.
»Ich muss
gehen.« Strike sah zur Tür, zur Straße. Er würde Rodney sagen, dass er sich
gedulden müsse.
»Soll ich
meinem Mann irgendwas sagen?« Victor hob die Hand nach einem weiteren Drink,
die Nase immer noch über der Serviette.
»Ich werd
die Mutter von dem Mädchen danach fragen.« Strike machte eine Pause, wollte das
Thema wechseln. »Wohnst du immer noch zu Hause?«
»Wenn ich
da bin.«
Strike
zögerte einen Moment lang und dachte darüber nach, was er noch sagen konnte,
als Victor hinzufügte: »Ich vermisse meine Kinder.«
Strike
hörte tiefe Trauer und Reue in der Stimme seines Bruders und widerstand dem
Impuls, ihm zu sagen, dass er heimgehen solle. »Ja, nun ...« Er begann
rückwärts zur Tür zu gehen und hielt inne, als Victor wieder sprach:
»Bezückend.«
»Was?«
»Hast du
je das Wort gehört, bezückend?«
»Mmh-mmh.«
Strike war unruhig, wollte
Weitere Kostenlose Bücher