Price, Richard
Schwarzen und dem JFK
Boulevard. Zwei Meilen Depression: Kirchen in ehemaligen Ladenlokalen, leere
Grundstücke, Frisiersalons, Süßwarenläden und private Kindertagesstätten. Die
meisten Ladenschilder waren handgemalt - jede Menge Rot und Himmelblau, grob
gezeichnete Köpfe und Gesichter auf Pressstein oder Sperrholz, blinkende gelbe
Scheinwerfer über den Tabak-, Video- und Süßwarenläden, Kameras an jedem
zweiten Telefonmast, um die Drogengeschäfte zu überwachen. Es waren genug Leute
auf den Straßen, die nur herumstanden oder in einem Radius von drei Metern auf
und ab liefen, dass Rocco das Gefühl hatte, jeden Augenblick würde eine Parade
um die Ecke kommen.
»Sieht aus
wie in Mittelamerika«, sagte Touhey glücklich.
»Als ich
noch ein Kind war«, Rocco richtete sich auf und schob seine Waffe von seinem
Hüftknochen fort, »da war das hier die Frawley Avenue. Man konnte nackt die
Straße runterlaufen, mitten in der Nacht. War das reine Vergnügen.«
»Wieso
haltet ihr Jungs an all den roten Ampeln?« Touhey fing wieder an, auf seinem
Sitz herumzuhopsen.
»Nun, wie
fahren Sie denn?«, fragte Mazilli mit einem
Blick in den Rückspiegel.
»Ja, aber
hier geht es doch um einen Mord, richtig?«
»Der Typ
ist tot.«
Mazilli
hielt etwa zwei Blocks vom Tatort entfernt an. Rocco konnte bereits das
städtische Straßenfest sehen, das sich zu entwickeln begann: ein halbes Dutzend
grün-gelber Streifenwagen, die schräg auf dem Parkplatz vor dem >Ahab's<
parkten, zusammen mit einem weiteren halben Dutzend hellbrauner unmarkierter
Plymouths und einem Krankenwagen, dessen Warnlicht in einem trägen Wirbel rote
Lichtstrahlen aussandte. Die Tatortabsperrung flatterte gelb, und die Herde
galoppierte: Leute rannten zum äußeren Rand der anwachsenden Menschentraube
und wieder fort, es gab eine Menge Geschrei und Gelächter, und auf dem
Restaurantdach drehte sich in zehn Metern Höhe ein Ahab aus Gips - komplett
mit Holzbein, Vollbart und Harpune -, einen Arm ausgestreckt, so als lade er
alle und jeden ein, sich die Leiche anzuschauen.
Mazilli
schaltete den Motor ab, fuhr sich mit der Hand über den Mund und seufzte durch
die Nase. Dann verließ er den Wagen und schlenderte in den
Shaff-Spirituosenladen, der von Keisha's Hair Salon und der Apollo-XII-Lounge
flankiert wurde.
»Was macht
er?« Touhey versuchte, seine Stimme nicht ungeduldig klingen zu lassen, aber
Rocco wusste, dass der Schauspieler kurz davor war, sich vor Aufregung in die
Hose zu pissen.
»Holt ein
paar von diesen Flugzeugfläschchen, wissen Sie, ein kleiner Schluck, bevor wir
in die Scheiße abtauchen.« Rocco hoffte, dass Mazilli heute nicht knausrig war
und sich einen Smirnoff griff, wenn daneben ein Stolichnaya stand. »Sie wollen
doch nichts, oder? Ihr Ding ist doch Mineralwasser, oder?«
Beide
starrten sie eine lebensgroße, aus Karton ausgeschnittene Figur einer Schwarzen
in einem geschlitzten Paillettenkleid an, die über zwei Achterkugeln auf einem
Poolbillardtisch die Spitze eines ebenholzfarbenen Queues streichelte. In ihrer
freien Hand hielt sie einen Cognacschwenker.
»Nun, was
passiert, wenn jemand da drin sieht, dass Ihr Partner einen Block von einem
Mord entfernt Schnaps kauft? Er ist doch der Leiter der Untersuchung, richtig?«
»Nun, ja.«
Rocco schob wieder die Waffe von seiner Hüfte. »Ihm gehört der Laden.«
Als
Mazilli ein paar Minuten später zurückkam, ließen sie den Wagen stehen und
gingen zu Fuß zum Tatort. Rocco mochte es, sich den Schaulustigen bei einem
Mord von hinten zu nähern, sich seinen Weg zu dem gelben Absperrband durch die
Menge zu bahnen und Bruchstücke von Straßengerüchten aufzuschnappen.
Sie
leerten die enghalsigen Fläschchen und warfen sie weg, als sie noch einen Block
entfernt waren. Rocco ließ Touhey den Stahlkoffer der Gerichtsmedizin tragen,
stieß den Schauspieler an und deutete gen Himmel.
»Jedes
Mal, wenn der Mond so voll ist wie jetzt, läuft jeder Cop mit 'nem bisschen
Verstand mit der entsicherten Waffe rum.«
»Ach,
hören Sie auf.«
»Mazilli,
lüg ich?«
»Nee.«
Mazilli war schon bei der Arbeit, bemerkte die Leute auf den hochgelegenen Veranden,
in den erleuchteten Fenstern, offenen Geschäften, jeden, der einen guten
Ausblick hatte.
»Die
Gefängnisse, Klapsmühlen, Tierheime hängen ihre >Belegt<-Schilder raus.«
»Kommen
Sie«, plapperte Touhey aufgeregt und trabte in einem kleinen Halbtrott neben
ihnen her.
»Der
Vollmond ist real. Er hat genügend magnetische
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