Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Price, Richard

Price, Richard

Titel: Price, Richard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clockers
Vom Netzwerk:
und er wischte sich mit einem angewinkelten
Handgelenk den Schweiß vom Haaransatz, wobei der hochgerollte Gummiumschlag
der Handschuhe ein paar Haare erfasste und ausriss. »Komm schon, du Arschloch,
wo bist du.« Der Geschmack der Gummibänder in seinem Mund fing an, ihn zu
irritieren, und dann bemerkte er die winzigen weißen Fragmente, die am
Schulterblatt des Jungen klebten: Was zum Teufel war das denn? Rocco dachte an
Knochen, Lunge, nahm etwas davon auf die Fingerspitze, spielte damit, sah zu
Touheys Stablampe hinauf und hielt seinen Finger in die Höhe. »Reis. Direkt
aus der Wunde ausgetreten. Er muss gerade erst gegessen haben.« Touhey wisperte
etwas mit dem Wort >Gott< darin. Die meisten der Beamten, die
herumhingen, begannen langsam davonzuschlendern.
    »Wo zum
Teufel ist der vierte Einschuss? Scheiße.« Er drehte den Jungen wieder auf den
Rücken, sein Gesicht und seine Haare waren klatschnass von dem Blut, in dem er
gelegen hatte. Rocco blickte wieder hoch, und für eine verwirrende Sekunde lang
ließen die Schatten Touhey, der starr wie eine Statue hinter dem Schein der
Stablampe stand, drei Meter groß erscheinen. Rocco, der jetzt auf den Knien
war, kam sich vor wie eine Art Hohepriester an einem Altar, der einen Leichnam
als Opfer vorbereitete.
    Schließlich
ächzte sich Rocco in die Höhe und stand mit abgewinkelten Ellbogen da, um die
blutigen Gummihandschuhe von seiner Kleidung fernzuhalten. Er sah, wie ein
Mister-Softee-Eiswagen an der Menge vorbeirollte und seine sanfte
Erkennungsmelodie klimperte, bevor er jenseits des Parkplatzes hielt und ein
paar Leute anlockte, die Geld hatten.
    »Sind Sie
fertig?« Ein kleiner bärtiger Sanitäter stand rauchend neben Rocco. Ein
leuchtend orangefarbener Leichensack, der nach frischem Vinyl stank, lag wie
eine Schärpe über seiner Schulter. Er bot Rocco eine Zigarette an.
    Rocco
hielt einen blutigen Handschuh hoch. »Nein, danke.«
    »Sie sind
noch nicht fertig?«
    »Noch
nicht.«
    Rocco
wandte sich an Touhey. »Geht's noch?« Touhey nickte und sagte kein Wort.
    Rocco
erspähte endlich Mazilli in dem Halbdunkel auf der anderen Straßenseite
>Ahab's< Parkplatz gegenüber. Er unterhielt sich mit einem zerlumpten
Haufen Leute, der an der weißgetünchten Wand eines China-Restaurants kauerte;
die Mauer war bekannter Treffpunkt einer Gruppe harmloser Junkies, die hier
vierundzwanzig Stunden am Tag aßen, schliefen und high wurden. Wenn Mazilli
sich so weit herabließ, diese Meute zu befragen, dann war keiner seiner
Dauerinformanten mit etwas Wichtigem rübergekommen.
    Rocco trat
näher an Touhey heran und starrte gemeinsam mit ihm auf die Leiche und dachte,
China-Restaurant, weißer Reis, weißer Reis, das Essen im >Ahab's< ist
scheinbar so mies, dass der stellvertretende Manager, der wahrscheinlich fast
nichts verdient, trotzdem noch dort isst.
    »Sean,
wissen Sie, was mich wirklich höllisch frustriert?«
    »Was?« Die
Stimme des Schauspielers war leise, und seine Hand hielt immer noch den
Lichtstrahl auf das blutverkrustete Gesicht gerichtet, obwohl Rocco das Licht
zuletzt vor fünfzehn Minuten gebraucht hatte.
    »Ich achte
darauf, was ich esse, ich gehe im Laufschritt, ich lese all dieses Zeug über
Gesundheit und Ernährung, und hier bin ich nun, eine neunzig Kilo schwere Wanne
voller Scheiße mittleren Alters. Der Hundesohn da arbeitet in einem Fastfoodladen,
isst wahrscheinlich zwei-, dreimal am Tag fettigen, labbrigen Frittierscheiß,
geht hinterher aus, haut sich drei, vier Liter Rootbier rein. Traubenlimo,
allen möglichen Mist, hat wahrscheinlich seinen Lebtag keine Kniebeuge
gemacht. Und schauen Sie ...« Seine Hand auf Touheys, lenkte Rocco die
Stablampe hinab zur Körpermitte der Leiche. »Sehen Sie das? Ein Bauch wie ein
Waschbrett. In dieser Stadt ist mir noch kein männliches schwarzes Opfer
untergekommen, das einen Bauchumfang von mehr als fünfundsiebzig Zentimetern
hatte.«
    »Das kommt
daher, weil sie alle umgebracht werden, bevor sie einundzwanzig sind.« Mazilli
trat aus der Dunkelheit.
    »He, da
bist du ja. Und?«
    Mazilli
blickte zurück zu der Junkiemauer. »Wir legen unser Ohr an die Gleise.« Er
nickte zu der Leiche hinüber. »War er Abschaum?«
    »Nun, es
ist 'ne Neun-Millimeter.«
    »Hast du
seine Taschen gefilzt?« Mazilli stellte sich mit gespreizten Beinen über die
Hüften des Jungen, fummelte in seinen Kleidern herum, fand nichts, schob einen
Fuß unter das Gesäß des Jungen und drehte ihn erneut um, zog eine Grimasse

Weitere Kostenlose Bücher