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Price, Richard

Price, Richard

Titel: Price, Richard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clockers
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über den Bauch gelegt und mit einem Schuh auf dem Rand der brillenlosen
Toilettenschüssel, »Sie stellen die falsche Frage. Es geht nicht um die Geschichte« - er deutete mit einem wankenden
Finger grob in Roccos Richtung -, »sondern darum, wer der Typ ist. Wir
sind auf der Gewinnerseite.«
     
    Touhey
nickte ein, und Rocco ging in das große Dienstzimmer, zog einen gelben
Schreibblock und eine halbvolle Flasche Seagram's aus einem Schrank mit
Bürobedarf. Seagram's schmeckte wie Nagellack, aber aus irgendeinem Grund war
es genau das, was die meisten Leute von der Straße brauchten, um über das zu
reden, was sie gesehen hatten.
    Gin,
Schreibblock und eine volle Tasse Kaffee mit vier Tüten Zucker balancierend,
ging Rocco über den Flur zurück zum Empfangsbereich. Er stellte den Gin und
den Kaffee auf ein Beistelltischchen am Kopfende der Couch, da er nicht wusste,
wofür sich die Zeugin entscheiden würde, rollte dann Vys Stuhl neben die schlafende
Frau und ließ den gelben Schreibblock auf seine übereinandergeschlagenen Knie
fallen.
    Einen
Augenblick lang saß Rocco nur ruhig da und beobachtete, wie sich ihre Rippen
hoben und senkten. Wie sie zu einem festen Ball zusammengerollt dalag, knochig
und zerbrechlich, beide Knie mit Schürfwunden, kam sie Rocco wie ein
verhutzeltes Kind vor. Seine Augen fielen auf den leeren Block, und er begann
zu kritzeln, füllte die obere Hälfte des Blattes mit Trapezen, war noch nicht
bereit für das hier, ließ die Gedanken schweifen, zog die Visitenkarte mit
Touheys Erklärung hervor, las zum ersten Mal die Worte auf der gedruckten
Seite - >Pressure Point Productions< - und träumte offenen Auges davon,
Schauspieler zu sein, stellte sich vor, wie die Cops in ganz Amerika in die
Glotze schauten und ihn - was sonst - einen Cop spielen sahen. Er schämte sich
ein wenig für seine Phantasie und erinnerte sich daran, dass er zum Schluss
mit einer wandelnden Wodkaflasche geredet hatte. Rocco schreckte ernüchtert
auf, und ihm fiel ein, dass er Patty nicht angerufen hatte, um ihr zu sagen,
dass er nicht vor Tagesanbruch nach Hause kommen würde, aber er hatte auch das
Gefühl, als könnte er es nicht über sich bringen, gerade jetzt nach dem Telefon
zu greifen. Der Schauspieler hatte ihn durch derart viele Stimmungsumbrüche
gescheucht, dass er keine Ahnung hatte, was er Patty sagen sollte, es kam ihm
vor, als verlange ein einfacher Anruf zu Hause plötzlich eine Erklärung des
eigenen Ichs.
    Die Zeugin
schnarchte wie ein verstopftes Rohr. Rocco nahm seine Brieftasche heraus, zog
Erins Bild hervor und drehte es um. »Carmela Wilson«, las er laut, zog dann das
angeklebte » nicht stören«- Schild von ihrer Hüfte und
zerknüllte es zu einer Kugel.
    Rocco
schrieb ihren Namen in die oberste Zeile einer neuen Seite und schlug ihr dann
mit dem Block leicht gegen die Hüfte. »Carmela. Carmela. Wach auf... wach auf.«
    Carmela
rührte sich, krächzte: »Verdammt«, drehte sich dann mit der Nase in die
Polsterung und versuchte, sich darin zu vergraben.
    »Na, komm
schon, Carmela ... wach auf, Mommy.« Rocco bohrte halbherzig weiter, bis sie
sich schließlich langsam zu einer sitzenden Position aufrichtete, als breche
sie durch eine Teerschicht.
    »Wie
geht's dir, Carmela?« Rocco bemühte sich, munter zu klingen.
    Sie
blinzelte ihn an. »Is das 'n Krankenhaus?«
    »Das ist
das Büro des Staatsanwalts. Erinnerst du dich daran, was diese Nacht passiert
ist? Erinnerst du dich an die Schießerei?«
    Sie
grunzte und zog eine Grimasse, während sie in das Neonlicht sah. »Is zu grell,
das Licht.«
    »Kein
Problem.« Rocco schaltete die Deckenlichter aus. Die Flurbeleuchtung, die
durch die Glastüren drang, warf gerade genug Licht, dass Rocco schreiben und
ihr Gesicht erkennen konnte.
    »Besser?«
Er rang mit sich, ob er ihr anbieten sollte, das Bad zu benutzen, entschied
sich aber dagegen, weil sie sonst vielleicht auf der Kloschüssel einschlief.
    »Möchtest
du einen Kaffee?« Er wies mit seinem Block auf das Beistelltischchen.
    »Ja, danke.« Sie streckte eine Hand aus und führte die
Tasse mit überraschend lässiger Grazie an ihre Lippen, leerte die Tasse in
einem Zug, die Augen traten für eine Sekunde aus ihren Höhlen, und sie
murmelte: »Heiß«, griff dann nach der Flasche Gin, füllte die Tasse zur Hälfte
und stürzte auch das herunter. »Ja, okay.«
    Rocco holte tief Luft und fing an. »Hör mal, ahm, du
musst Geduld mit mir haben ... Ich muss dir dieselben Fragen stellen, die

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