Price, Richard
Drogenkies. Jemand wartete darauf, das
zu tun, was zu tun war, und verschwand dann wieder. Nicht viel, aber immer noch
besser als nichts.
»Sonst noch irgendwas, was dir einfällt und du mir
sagen willst?« Er saß mit übereinandergeschlagenen Beinen und dem Stift im Anschlag
da, wartete zehn, zwanzig, dreißig Sekunden.
»Carmela?«
Sie war mit halbgeschlossenen Augen eingeschlafen.
Rocco sah zu, wie ihre Augenlider sich wie die Luken eines Raumschiffs sanft
schlossen und den Kontakt mit der bekannten Welt unterbrachen.
Rocco ärgerte sich einen Moment lang, dass er sich
nicht ihre Sozialversicherungsnummer und ihr Geburtsdatum notiert hatte.
»Carmela, Baby ...« Er streckte sich, gähnte und schrieb Carmelas Adresse auf.
Er würde die Tonbandaufzeichnung der formellen Befragung auf morgen verschieben
müssen.
Rocco rollte auf seinem Stuhl zu Vys Telefon und rief
zu Hause an. Auf einmal gierte er danach, Pattys Stimme zu hören. Aber kurz
nach dem ersten Klingeln drang ein hallendes Scheppern aus dem Flur, und Rocco
musste auflegen, bevor sie an den Apparat konnte.
Ein uniformierter Polizist eskortierte die Schwester
des Opfers in den verdunkelten Eingangsbereich.
»Wo zum Teufel sind die alle?«, nörgelte der Polizist.
Er schaltete die Deckenbeleuchtung an und griff beinahe nach seiner Waffe, als
er Rocco hinter dem Tisch entdeckte.
»Ruhig, ruhig.« Rocco hielt seine Handflächen hoch wie
Stoppschilder und rollte auf seinem Stuhl in die Mitte des Raums.
»Sie wollten sie, richtig?« Der Polizist nickte zu der
Frau, die leicht vornübergebeugt dastand, die Hände unter die Achseln geklemmt.
»Absolut.« Rocco stand auf, griff sanft nach einem
ihrer knochigen Ellbogen und geleitete sie den Flur entlang zum Dienstzimmer,
blieb dann abrupt stehen und sah zu dem Polizisten zurück, als hätte er etwas
vergessen. »Ach, kann ich Sie um einen Gefallen bitten?« Er wies auf Carmela,
die immer noch auf der Kante der Couch schlief. »Sie können sie bestimmt
irgendwo da draußen absetzen.« Rocco gestikulierte unbestimmt in Richtung der
Stadt und drehte sich um, bevor der Polizist protestieren konnte.
Rocco und Darryl Adams' Schwester saßen sich in
übergroßen kunstlederbezogenen Bürosesseln im Dienstzimmer gegenüber und
rollten selbstvergessen auf den nierenförmigen Teppichschonern vor und zurück.
»Harmony - das ist ein netter Name. Wo leben Sie,
Harmony?« Rocco hielt seinen Block wieder auf seinem Knieschreibtisch, die
Carmela-Wilson-Seite jetzt nach hinten geklappt.
»Ich wohne Allerton Avenue 440, zweiter Stock hinten,
und meine Sozialversicherungsnummer lautet 182-40-3947«, sang sie heraus, die
Arme unter ihrer brokatenen Bolerojacke verborgen, und linste ihn mit großen
Augen an. »182-40-3947 - das vergess ich nie.«
In ihrer Stimme war etwas Glucksendes,
Zusammenhangloses, eine leicht hysterische Geschwätzigkeit, als ob sie frösteln
würde. Rocco sah auf ihre bloßen Füße herab und erinnerte sich daran, dass sie
etwas früher am Abend auf einer hochhackigen Sandale herumgestakst war. Er
besah sich ihre Beine einen Moment zu lang, und sie lehnte sich zur Seite und
zog sie unter sich.
Rocco holte tief Luft und setzte eine freundliche Miene
auf. »Möchten Sie etwas trinken? Einen Kaffee? Etwas anderes?«
»Haben Sie was zu essen?« Ihre Stimme klang nervös,
scheu.
»Wir haben Donuts, einen Süßigkeitenautomaten ...«
»Donuts wären nett. Ich mag Donuts.«
Rocco stand auf und ging an der Zelle vorbei zur
Kaffeemaschine. Er fand einen Pappteller und nahm zwei labbrige Stücke aus
einer fettdurchtränkten Pappschachtel. Als er sich wieder dem Dienstzimmer
zuwandte, sah er, wie der Schauspieler im Schlaf winselte und mit den Beinen
auf der Pritsche zappelte wie ein Hund, der träumte.
Rocco schüttelte Touhey an der Schulter. »Sean, Sean
...«
Der Schauspieler schrie und fuchtelte schwach mit den
Armen in der Luft.
»Sean, wollen Sie was lernen? Kommen Sie mit. Ich werde
ihr sagen, Sie seien mein Partner.«
Touhey schreckte hoch, starrte mit verquollenen Augen
um sich und fiel wieder in qualvollen Schlaf. Rocco entschloss sich, einfach
seinen verdammten Job zu machen.
Rocco ließ die Schwester ein paar Bissen nehmen und sah
ihr zu, wie sie mit einem abgebrochenen rosafarbenen Fingernagel vorsichtig
einen Fleck Puderzucker wegkratzte.
»Ich hab den ganzen Tag nichts gegessen, und dann hab
ich mich übergeben. Mein Magen ist so leer, dass ich Kopfschmerzen krieg.«
»He,
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