Price, Richard
mit Rodney rum?«
Eine
weitere Welle wie der Schlag eines Fischschwanzes durchfuhr ihren Oberkörper.
»Ich weiß nicht. Sehen Sie, wie ich schon sagte, er redet nicht mit mir. Aber
ich werd aufhören. Die Leute sagen: >Ach, ihr könnt nie aufhören damit, Leute, niemand kann
damit aufhören, außer vielleicht im Bau<, aber ich hab schon oft aufgehört,
ist keine Riesensache. Wissen Sie, die Zeitungen blasen das auf, aber man kann
damit aufhören, wenn man den Willen dazu hat, wenn man reif genug ist.«
»Harmony, glauben Sie, dass Ihr Bruder in irgendwas
verwickelt war ...« Rocco zuckte leicht mit den Schultern, »Sie wissen schon,
krumme Sachen?« Bei ihm hörte sich das wie Dummejungenstreiche an.
»Das müssen Sie ihn selbst fragen.«
Rocco ließ einen Moment der Stille verstreichen und
bereitete sich dann auf den Hauptschlag vor. »Harmony, hören Sie mir zu. Ich
möchte, dass Sie die Augen schließen.« Er schwieg. »Denken Sie nicht. Sagen Sie
nur ... Wer hat es getan?«
Das Telefon im Empfangsbereich begann zu klingeln.
Rocco wartete auf Harmony, die nun so aussah, als säße sie in einer Seance.
»Sie«, sagte sie in leisem Ton.
»Ich?« Rocco griff nach dem Telefon am Nachbartisch, starrte
Harmony an, deren Augen immer noch geschlossen waren, als er auf die
Durchstelltaste drückte. »Morddezernat, Klein«, sagte er mit verwirrter,
monotoner Stimme.
»Ist jemand umgebracht worden, oder ist es was, worüber
ich mir Sorgen machen müsste?« Pattys Stimme traf ihn wie eine flache Hand ins
Gesicht.
»He.« Er grinste ins Telefon. »Ich bin bei der Arbeit.«
Rocco kam sich so vor, als sei er voll aufgelaufen. Was war denn so kompliziert
daran, zu Hause anzurufen?
»Keine Zeit, mal kurz anzuhimmeln, richtig?«
»So ähnlich.«
Harmonys Augen waren immer noch geschlossen, man konnte
die Seitwärtsbewegungen der Augäpfel durch die dünne Haut hindurch erkennen.
»Ich frag
nur, weil es etwa zwei Uhr früh ist.«
»Ich hatte
mit einem Mordfall zu tun.«
»Du bist
gerade ins Büro gekommen, stimmt's? Ich hab dich erwischt, als du gerade durch
die Tür reingekommen bist, oder?«
Rocco
drehte sich mit dem Rücken zur Schwester des Opfers. »Kann ich dich
zurückrufen? Ich bin nicht allein.«
»Ein
Mörder?«
»Ja«,
sagte Rocco und dachte, das klänge dramatischer als >eine Verwandter<.
»Mach sie
fertig, Baby«. Sie sagte es mit einem leichten Anflug von Straßenjargon.
Er
grinste. »Mach ich doch immer.«
»Ruf mich
an.« Patty legte auf, und Rocco wandte sich wieder Harmony zu. Ihre Augen waren
geöffnet, ihre Wangen tränenfeucht.
Rocco
spürte, wie seine Konzentration nachließ, er gestattete sich einen Augenblick,
um sie zurückzugewinnen.
»Warum
haben sie >Sie< gesagt, Harmony?« Er nahm an, dass sie irgendwas über
Rassismus, die Schweine oder die Gesellschaft im Allgemeinen sagen würde, aber
sie reckte nur ihr Kinn nach Roccos Hüfte und der Waffe dort.
Rocco
berührte erstaunt seine .38er. In zwanzig Jahren bei diesem Job war ihm niemals
in den Sinn gekommen, dass der Anblick seiner Waffe irgendeinen von der Familie
oder den Freunden eines Mordopfers aufregen könnte. Man lernte jeden Tag dazu.
»Also noch
mal. Wer hat es getan?«
Harmony
machte einen tiefen, rasselnden Atemzug, ihre dünnen Finger zitterten an ihrem
Wangenknochen. »Sie fragen, wer es getan hat. Wissen Sie, die Leute tun Dinge,
aber ... ich mein, ist doch nicht so, als wenn irgendjemand stolz auf sich
wäre, es sind nur die Umstände, verstehen Sie?« Die Tränen strömten jetzt
ungehindert, aber die Stimme klang immer noch gesprächig und leicht. »Ich mein,
ich kenne niemanden, der stolz auf sich ist. Niemanden. Wissen Sie, das ist wie
ein Rennen, und manchmal sind die Leute nicht in Form. Verstehen Sie, was ich
meine?«
Rocco
nickte und starrte das dreckverschmierte Gesicht des Marines auf dem Anwerbeplakat
an, der mit Augen voller Rechtschaffenheit zurückstarrte.
Die Tür im
Eingangsbereich klapperte. Rocco hörte Mazillis Arbeitspfeifen, ein tonloses
Teekesselzischen durch die Zähne. Rocco lächelte Harmony an, stellte alle
Fragen zurück, und einen Moment später walzte Mazilli ins Dienstzimmer, stellte
sich hinter Rocco und griff nach dessen Notizen. Immer noch pfeifend, fuhr er
beim Lesen mit dem Finger die Seite herunter.
»Lovejoy,
Robert Lovejoy. Ist vor zwei Wochen nach Florida gezogen.« Mazilli überflog
die Seite. »Chickadee. Chickadee Willis, er verkauft Ampullen für Rodney
Little. Ja, da
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