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Price, Richard

Price, Richard

Titel: Price, Richard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clockers
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sein Gesicht schon auf halbem Weg durch den Raum glühen
spürte. Am Fuß des Ofens befand sich ein kleiner, geöffneter Ofenrost, und zu
den Füßen der Gestalt stand eine Milchkiste voller zerschlagener hölzerner
Jalousielatten. Der Mann, der einen Ledermantel trug und die Arme vor der
Brust verschränkt hatte, starrte in die Schatten und sah aus wie der Portier
der Hölle.
    Strike kam
näher; der Mann auf der Leiter war Erroll Barnes. Draußen mussten es gute
zweiundzwanzig Grad sein, aber Rodney hatte ihm erzählt, dass Erroll immer
fror, so wie alte Männer. Und wenn Erroll Barnes beschloss, Mitte Juni ein
brüllendes Feuer zu entzünden, wer wollte ihm dann sagen, dass er es ausmachen
sollte?
    Strike
nickte und zog Errolls Blick auf sich. Erroll würde wissen, wo Rodney war,
vielleicht wusste er sogar, wer Darryl Adams ermordet hatte, aber Strike
konnte sich nicht mal im Traum vorstellen, ihn auch nur nach der Uhrzeit zu
fragen, also sagte er nichts. Er ging an Erroll vorbei, bahnte sich einen Weg
durch Autoteile und offene Eimer voller Motoröl und bewegte sich in die hintere
Ecke der Garage. Vier ältere Männer pokerten an einem Tischtennistisch ohne
Netz unter einer von der Decke hängenden Arbeitslampe.
    Es war
immer noch früh, und Strike wusste, dass gegen ein Uhr dreißig oder so um zwei
herum, wenn die Kilo- und Unzenverkäufer von Dempsy und ihre Offiziere die
Nacht beendeten, die Würfel rollen würden, und bis Sonnenaufgang würden die
meisten der Spieler ihren nächtlichen Straßenprofit verbraten haben, manche
sogar ihr Nachschubkapital. Einige Jungs hatten in dieser Garage schon derart
hoch verloren, dass sie ein für alle Mal aus dem Geschäft waren. Und wenn so
etwas passierte, dann wurden die Leute ein wenig verzweifelt, deshalb hatte
Rodney Erroll Barnes angeheuert, dort zu sitzen, den Ofen zu feuern und die
Garage sauber- und warm und friedlich zu halten.
    Die Garage
gehörte Rodney zusammen mit jemandem, den Strike nur als Curtis kannte. Bei
einem Schnitt für die Bank von einem Dollar pro Wurf machten Rodney und Curtis
mindestens fünfzehnhundert die Nacht allein damit, die kleinen Gauner zu
bescheißen. In den letzten drei Monaten hatte Curtis mit dem Tischtennistisch
so viel Geld gemacht, dass er Überlegungen anstellte, sich zwei weitere Häuser
zu beiden Seiten seines ersten Hauses zu kaufen, was schon ein Witz war
angesichts der Tatsache, dass er Haus und Garage für hundert Dollar bei einer
Zwangsversteigerung erworben hatte. Sie hatten ihm obendrein sogar ein
zinsloses Baudarlehen bei dem Geschäft gegeben.
    Strike sah
der Pokerpartie ein paar Minuten zu, während er im Schatten stand. Curtis war
nicht da, und die vier Männer spielten nur, um den Tisch warm zu halten.
Aufreißerspielchen um Fünf- und Zehn-Cent-Stücke. Hinter ihnen tanzte ein
großes, dürres Mädchen mit glühenden Junkieaugen in der Ecke, als müsste es
dringend mal. Ihr Sweatshirt mit Kapuze war verdreckt, und Strike bemerkte,
dass sie ihn aus den Augenwinkeln abschätzte. Er wusste, wenn sie ihn allein
erwischte, würde sie ihn um fünf Dollar oder sonst eine Summe anhauen. Strike
beobachtete verstohlen, wie sie in den Lichtkegel und wieder heraustanzte, und
dachte: >Das hier ist im Augenblick nicht der richtige Ort<. Er drehte
sich um und wollte hinausgehen, die Hände in den Taschen und den Kopf zwischen
den Schlüsselbeinen eingezogen, als erwarte er jede Sekunde einen Schlag. »He.«
    Strike war
nicht sicher, wer ihn angesprochen hatte. Er starrte zu Erroll hinüber, aber
Erroll starrte immer noch in die Schatten an der hinteren Wand.
    Strike
wandte sich um und wollte gehen.
    »Gib mir
fünfzig Dollar.«
    Es klang
wie eine Stimme in seinem Kopf. Strike drehte sich wieder um. Erroll hockte
immer noch still da, gelassen, distanziert, war nicht mal so höflich, mit
Strike in Augenkontakt zu treten. Er wiederholte sich nicht.
    Strike
starrte Erroll an, wägte Antworten ab und entschied, dass es nichts abzuwägen
gab. Erroll war wie New York City; er brach alle Regeln, kümmerte sich einen
Dreck darum, was man tat und was nicht.
    Strike
ging zum Ofen zurück und wühlte in seiner Tasche. Er hielt zwei Scheine vor
sich. »Ich hab bloß vierzig.«
    Ohne ihn
eines auch noch so flüchtigen Blickes zu würdigen, griff sich Erroll die beiden
Zwanziger mit den Fingerspitzen und verschränkte seine Arme wieder.
    Strike
verließ die Garage und dachte: >Ich bin grad ausgeraubt worden, ich bin
verdammt nochmal grad

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