Prickel
mal, der Umgang von Mensch zu Mensch mit, beispielsweise, einem Gebrauchtwagenhändler. (>Wieviel steht aufm Ticker? Stimmtatt auch? Der Lack is aber Käse. Und die Schluffen sind nieder. Watt willze dafür sehen? Wieviel gibbse mir für meinen?<)
»Wie man sich einschreibt«, schlug ich vor. »Wann die Semester anfangen. Und dann, wie man einen Doktorgrad erwirbt.«
»Welche Fakultät?«
»Science.«
»Science. So, da haben wir's. Nun, so wie ich das sehe, ist das Einschreiben denkbar einfach. Alles, was du machen mußt, ist, ihnen einen Scheck zu schicken. Mehr scheint nicht erwartet zu werden. Und Semester haben sie keine. Ihr Service umfaßt 365 Tage im Jahr, rund um die Uhr.«
Ich machte »Hä?«
»Es scheint sich um eine Fern-Uni zu handeln. Du schickst ihnen das Geld und sie schicken dir das Studienmaterial. Anschließend kannst du verschiedene Grade erwerben. Lehrer, Magister, Doktor. Hier:« Er zeigte mir die Liste. Es schien in erster Linie eine Preisfrage zu sein. Doktor, zum Beispiel, egal ob Sc. Phil, oder Dent. kostete 6000 Dollar. Zertifikat und Hut inbegriffen, Verleihungszeremonie (auf Wunsch) kam jedoch extra und die Anreise mußte in dem Fall dann auf eigene Kosten bestritten werden. Und, nachdem das also alles geklärt war, kam noch klein und unauffällig und in Klammern gesetzt der Hinweis, sämtliche Titel und Grade seien >for private use only<.
»Siehst du das?« fragte ich. Heckenpennes nickte, ließ die Seite verschwinden, zappte hin und her und graste dann wieder lange Listen ab.
»Also der eine seiner beiden Doktortitel ist, bei Licht betrachtet, in gelehrten Kreisen ungefähr soviel wert wie ein Karnevalsorden auf der Militärakademie. Da wollen wir doch gleich noch mal nach dem anderen schauen.«
Es war, um es gleich zu sagen, der gleiche Humbug. Man kaufte sich Lehrmaterial, studierte es oder auch nicht, sandte dann einen Text seiner Wahl ein - um die Form zu wahren, nehme ich an - plus einen fetten Scheck, und schon war man Doktor. Für den Hausgebrauch only.
Da trug dieser aufgeblasene Sack zwei Doktortitel spazieren, die einer näheren Prüfung ungefähr so lange standhielten wie ein von einem Sechsjährigen selbstgemalter Tausendmarkschein, und keiner merkte das? Ein Mann mit seinem Auftreten mußte doch Feinde haben? Neider? Und keiner von denen war auch nur halbwegs smart genug gewesen, diese beiden unablässig vor ihren Augen herumgeschwenkten Titel mal zu hinterleuchten? Der Kerl hatte sich einen Job besorgt, einen hochdotierten Posten sogar, eine Professur noch dazu, hatte Hunderte von Texten publiziert, alles im Glorienschein des Doppeldoktoranden, und keiner hatte die Farce durchschaut?
Eine Frage klärte sich mit meiner Entdeckung allerdings. Warum es einen Mann wie ihn, von so unverhohlenem Ehrgeiz, nie an eine andere Institution gelockt hat. Da er mit wachsender Reputation immer weniger riskieren konnte, aufzufliegen, wurde das Christopherus-Asylum für ihn zu einer beruflichen Sackgasse.
Heckenpennes zog den Reißverschluß seiner Reisetasche zu und sah sich im Zimmer um, ob er nichts vergessen hatte.
»Hast du noch einen Moment Zeit?« fragte ich. Er blickte auf seine Uhr.
»Wenn du mich zum Flughafen fährst, ja.«
»Dann verbinde uns doch mal mit der Uni Strasbourg.«
Denn die eine Frage blieb: Wieso hatte Blandette es nicht wie alle gemacht und ein paar hundert Seiten Fachchinesisch aus anderen Dissertationen abgeschrieben, neu zusammengestellt, sich eine schöne Überschrift ausgedacht und den ganzen Schmonzes als Frucht seiner eigenen Bemühungen dargestellt?
»Unis sind einfach«, meinte Heckenpennes. »Bis auf so ein paar Forschungsprogramme ist eigentlich alles zugänglich. Da kämst sogar du rein.«
»Geh mal ins Archiv.«
»Da ist es. Blandette?«
»Ja.«
»Haben wir. Und jetzt?« »Bei wem hat er studiert?«
Wir fanden einen Prof. Dr. Ivan Schaeffer. Ein Schwenk in die Verwaltung der Universität brachte allerdings nur die Erkenntnis, daß Dr. Schaeffer nicht mehr auf der Gehaltsliste stand. Er war wohl in Rente oder dahin. Also zurück ins Archiv. Da fanden wir seine Anschrift. Ich rief die Auslandsauskunft an, und sie gaben mir eine Telefonnummer. Das hieß, der Professor weilte mit hoher Wahrscheinlichkeit noch unter uns. Mein Gefühl sagte mir allerdings, daß ich mit einem Anruf nicht weit kommen würde.
Bis Strasbourg, schätzte ich, waren es vielleicht vier Stunden Fahrt. Es war noch total früh am Morgen. Ich könnte schon
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