Priester des Blutes
Toten und Sterbenden tränken, bis Alles zu Einem würde und der Eine zu Allem.
Es gab noch eine weitere Prophezeiung, aber derjenige, der die Worte auf den Ähren des Korns hörte, das vom Wind zerzaust wurde, verriet sie nicht. Das Einzige, was davon bekannt wurde, war, dass sie von einem großen Krieg sprach, der keinem anderen gleichen und zwischen denen des Blutes und denen des Fleisches stattfinden würde, und dass er Medhya ihren Platz der Macht zurückgäbe.
Es gibt Leute, die behaupten, dass Medhya noch viele tausend Jahre mehr über die Erde wandelte, nach ihrem Fleische rufend, um ihr verlorenes Blut und die Kinder ihrer Kinder weinend, diejenigen verfluchend, welche die Quelle ihrer Macht stahlen, und nach einem Weg aus der Welt der Schatten in die des Fleisches suchend. Am Tage ist sie nichts als Schatten, in der Nacht aber ist sie die wispernde Dunkelheit selbst.
Gegen ihren Willen zwar, jedoch mit Hilfe derjenigen, die ihr das Blut und die Geheimnisse stahlen, entstand das Volk der Vampyre, durch den Fluch der Medhya und ihren Heiligen Kuss, der trinkt, das Fleisch wieder zum Leben erweckt und die Seele durch die Übertragung von Mund zu Mund weitergibt.
Sie sucht nach denjenigen, die ihr die Geheimnisse stahlen.
Sie durchjagt die Nacht, um ihren Kindern die Hölle zu bringen.
Sie ist die Mutter des Stammes der Vampyre und auch diejenige, die diese bis in alle Ewigkeit bluten lassen will.
Solche Prophezeiungen und diese Legende waren mir bis zu meinem neunzehnten Lebensjahr unbekannt, als eine Vampyrin namens Pythia Besitz von mir ergriff.
Als sie mich er mordete, bohrten sich ihre scharfen Eckzähne in meine Kehle. Ich kann mich noch immer an den Schmerz erinnern: Das waren Geburtswehen. Ich sah Schatten in der Dunkelheit, als wenn Männer von Bedeutung sich ringsumher versammelten, Schatten gegen Schatten. Ich spürte, wie mein Blut bis zu dem Biss aufstieg, als strebe es danach, auf Pythias Lippen und Zunge zu treffen. Ihr Geruch - in diesem Augenblick - war der moschusartige Duft des Grabes selbst. Ihre Schönheit verwandelte sich von der einer Jungfrau in die einer Leiche, das vertrocknende Leder der Haut schien straff über ihren Schädel gezogen. Ich sah sie, wie sie war, ich sah ihr Fleisch und nicht ihren Geist. Ihre
Augen öffneten sich, milchweiß und krankhaft. Ihr Kiefer wirkte wolfsartig, als sie die Zähne in meinen Hals schlug. Ihr Gewicht lastete schwer auf meiner Brust. Ich erstarrte, war gelähmt, unfähig zu kämpfen. Dann ertönten entsetzliche Sauggeräusche … als sie mich trank.
Ich erinnere mich an meinen Pulsschlag, als handelte es sich dabei um ein schweres, langsames Pochen gegen eine hölzerne Tür in meiner Nähe.
Ich sah ihre wahre Schönheit, als das Leben aus meinen Adern in ihren Mund strömte. Ihre Augen waren wie brennende Saphire. Ihr Haar, dicht, dunkel wie die Nacht, wallte von ihrem alabasterweißen Gesicht herab. Dann sah ich die leichte Rötung auf ihren Wangen, während mein Blut sie nährte.
So wurde sie zu meiner Mutter, zu meiner Geliebten, zu meiner Erlöserin, zu meiner Mörderin und schließlich zu meiner Dämonin.
Damals empfand ich noch keinen starken Genuss an dem Heiligen Kuss, der auf meinen Lippen brannte. Dieser Genuss kam erst später, als ich meine erste Auferstehung erlebte. Der Genuss, mich der Nacht zu öffnen, der Schöpfung selbst, dem Fleisch - bis zum Äußersten.
Der Genuss erwacht erst, wenn der Körper wieder ganz lebendig wird.
Wenn der Durst nach Blut beginnt.
Der Fluch des Durstes ist nicht der Durst selbst, sondern entspricht den Erinnerungen, die er wachruft. Jeder Tropfen bringt - noch einmal - die Erinnerung an mein sterbliches Leben zurück.
Rot steht für die Erinnerung.
Es gibt noch eine andere Welt, und bis ich sie er leben durfte, blieb sie Legende.
Ich bin ein Vampyr, aber das war ich nicht immer. Einst war ich wie du das Kind von jemandem, und die Welt erschien mir wie ein ewiger Frühling.
Es gibt eine geschichtliche Vergangenheit, von der du weder etwas weißt noch jemals etwas gesehen hast - abgesehen von denjenigen, die den Schleier zerrissen. Bei ihr handelt es sich um den Saft einer seltenen Blüte, die den Alten unter anderen Namen bekannt ist. Die Welt, von der du glaubst, dass sie in meinem sterblichen Leben Bestand hatte, ist eine Fälschung, begangen in den Klöstern, deren Mönche vieles schrieben und noch mehr erlogen, und von den großen Männern, die ihre großen Taten
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