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Priester und Detektiv

Priester und Detektiv

Titel: Priester und Detektiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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Brown folgte ihnen mit dem Finger auf dem Tischrande, wie ein Mann, der auf dem pianoforte eine Melodie sucht.
    Zuerst kam eine lange Reihe von raschen, kleinen Schritten, wie sie etwa ein leichtfüßiger Mann machen würde, um ein Wettgehen zu gewinnen. Bei einem gewissen Punkte hielten sie inne und wurden zu einer Art langsamen, schlendernden Auftretens, wobei sie nicht ein Viertel der Zahl jener Schritte ausmachten, jedoch ungefähr dieselbe Zeit einnahmen. Im Augenblicke, da das letzte dröhnende Auftreten verhallte, kam wieder das Laufen oder Trippeln leichter, eiliger Schritte und dann von neuem der dumpfe Ton schwereren Gehens. Es war unzweifelhaft dasselbe Paar Schuhe, teils weil, wie schon gesagt, kein anderes Paar Schuhe um die Wege war, und teils weil sie ein unbedeutendes, jedoch nicht zu überhörendes Knarren an sich hatten.
    Father Brown besaß jene Art von Kopf, die nicht umhin kann, Fragen zu stellen, und über diese anscheinend alltägliche Frage zerbrach er sich beinahe eben diesen Kopf. Er hatte Menschen laufen gesehen, die sich anschickten, zu springen. Er hatte Menschen einen Anlauf zum Gleiten nehmen gesehen. Doch weshalb um alles in der Welt sollte ein Mensch einen Anlauf nehmen, um zu gehen? Oder anders, weshalb sollte er gehen, um dann zu laufen? Und doch, keine andere Erklärung wollte sich mit den Possen dieses unsichtbaren Paares von 3üßen decken. Der Mann lief entweder sehr rasch die Hälfte des Ganges entlang, um sehr langsam die andere Hälfte des Ganges entlang zu schreiten, oder er schritt sehr langsam an dem einen Ende, um am anderen plötzlich in das Tempo des Laufens zu fallen. Keine Vermutung schien viel Sinn zu haben. In dem Kopfe des Priesters wurde es dunkler und dunkler wie in seinem Zimmer. Und doch, als er anhaltend zu denken begann, schien das Dunkel der Zelle allein schon seinen Gedanken mehr Leben zu verleihen; wie in einer Art Gesicht begann er die phantastischen Füße zu schauen, wie sie in unnatürlichem und bedeutungsvollem Tun den Gang entlang hüpften. War es ein heidnischer religiöser Tanz? Oder irgendeine ganz neue Art wissenschaftlicher Übung? Father Brown begann sich eingehend zu befragen, worauf die Schritte schließen lassen konnten. Erst der langsame Schritt; es war sicherlich nicht der des Besitzers. Leute von seiner Sorte bewegen sich in raschem Getrippel oder sie sitzen stille. Es konnte auch kein Kellner oder Bote sein, der auf einen Auftrag wartete; es klang nicht danach. Wesen niederer Ordnung taumeln wohl manchmal umher, wenn, sie leicht betrunken sind, im allgemeinen jedoch und in so glanzvoller Umgebung stehen oder sitzen sie in gezwungener Haltung. Nein, dieser schwere und doch springende Schritt mit etwas wie sorglosem Nachdrucke, nicht sonderlich geräuschvoll und doch des Geräusches achtend, das er verursachte, war nur einem Lebewesen dieser Erde eigen. Das war ein Mann aus dem westlichen Europa und wahrscheinlich einer, der nie um seinen Lebensunterhalt gearbeitet hatte.
    Eben als der Priester zu dieser festen Gewißheit gelangte, wechselte der Schritt zum raschen Tempo und rannte an der Türe vorbei, so behend wie eine Ratte. Der Lauscher bemerkte, daß, obwohl dieser Schritt viel rascher war, er auch viel geräuschloser war, beinahe als liefe der Mann auf den Zehenspitzen. Und dennoch verband sich damit in seinem Empfinden nichts Geheimes, sondern irgend etwas anderes, etwas, dessen er sich nicht zu entsinnen vermochte. Er war wütend über dieses halbe Sicherinnern. Sicher, jenen eigenartig raschen Gang hatte er schon irgendwo gehört. Plötzlich sprang er auf die Füße, einen neuen Gedanken im Kopfe, und schritt der Türe zu. Sein Zimmer besaß keinen direkten Ausgang nach dem Korridor hinaus, sondern führte auf der einen Seite in den Glasverschlag und auf der anderen in die dahinter liegende Garderobe. Er versuchte die Türe zu dem ersteren zu öffnen und fand sie verschlossen. Dann sah er nach dem Fenster, einer viereckigen Scheibe jetzt voll purpurner Wolken, gespalten vom fahlen Sonnenuntergange, und für einen Augenblick witterte er Übles, wie ein Hund Ratten wittert.
    Der vernünftige Teil seines Ichs (vielleicht der klügere, vielleicht auch nicht) gewann die Oberhand. Er erinnerte sich, daß der Besitzer ihm gesagt hatte, er wolle die Türe absperren und würde später zurückkehren, um ihn herauszulassen. Auch sagte er sich, daß noch ein Dutzend Dinge, an die er nicht gedacht hatte, die verrückten Schritte draußen

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