Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Priester und Detektiv

Priester und Detektiv

Titel: Priester und Detektiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
Vom Netzwerk:
erklären kannten. Dann fiel ihm ein, daß es gerade noch hinreichend licht war, um die Arbeit vollenden zu können. Indem er sein Papier zum Fenster brachte, um noch die letzte Abendhelle auszunützen, beschäftigte er sich fest entschlossen von neuem mit dem nahezu vollendeten Schriftstücke. An die zwanzig Minuten hatte er so geschrieben, wobei er sich näher und näher auf das Papier herniederbeugte; dann setzte er sich plötzlich aufrecht. Er hatte die merkwürdigen Füße von neuem vernommen.
    Diesmal wiesen sie eine dritte Eigentümlichkeit auf. Bisher war der Unbekannte gegangen, flüchtig zwar und mit blitzartiger Behendigkeit, aber er war gegangen. Jetzt lief er. Man konnte die raschen, weichen, springenden Schritte den Gang entlang kommen hören, gleich den Fußbällen eines fliehenden und springenden, Panthers. Wer immer da kommen mochte, er war ein sehr starker, gelenkiger Mann in stummer, doch heftiger Erregung. Doch als das Geräusch gleich einem flüsternden Wirbelwinde beim Glasverschlage angekommen war, verfiel es plötzlich wieder in das alte, langsame Schlendern.
    Father Brown warf das Papier zur Seite, und da er wußte, daß die Türe zum Verschlage geschlossen war, trat er ohne weiteres auf der anderen Seite in die Garderobe. Der hier beschäftigte Bedienstete war im Augenblick abwesend, wahrscheinlich weil die einzigen Gäste sich bei Tisch befanden und sein Amt eine Sinekure war. Nachdem er sich durch einen grauen Wald von Überziehern durchgetastet hatte, fand er, daß der dunkle Ankleideraum auf einen erleuchteten Gang mündete, getrennt durch einen Schalter oder eine Halbtüre, wie die meisten Schalter, über welche wir alle schon Schirme hinübergereicht und Marken dafür entgegengenommen haben. Unmittelbar über dem halbmondförmigen Bogen dieser Öffnung brannte ein Licht. Es beleuchtete nur schwach Father Brown, der als dunkler Umriß gegen das Sonnenuntergangsfenster sich abhob. Ein nahezu theatralisches Licht aber lag auf dem Mann, der außerhalb der Garderobe im Gange stand.
    Er war elegant, sehr einfach gekleidet, im Frack; stark, doch ohne daß der Eindruck dieser Stärke sich fühlbar machte. Man hatte das Empfinden, er würde imstande sein, wie ein Schatten dahinzugleiten, wo viel kleinere Männer aufgefallen wären und Anstoß erregt hätten. Sein Gesicht, jetzt zurückgeworfen und von der Lampe beleuchtet, schien gebräunt und lebhaft, das Gesicht eines Ausländers. Seine Gestalt war regelmäßig, sein Auftreten zeugte von guter Laune und Zuversicht; nur ein Kritiker hätte zu erkennen vermocht, daß sein schwarzer Frack um einen Schatten nicht seiner Figur und seinem Auftreten entsprach und sogar in eigentümlicher Weise etwas ausgebaucht und angeschwollen aussah. Im Augenblick, da er Browns schwarzer Umrisse im Sonnenuntergange ansichtig wurde, warf er ein Stückchen Papier mit einer Nummer darauf hin und befahl mit leutseliger Gebietermiene:
    »Ich möchte meinen Hut und Rock, bitte: ich sehe, ich muß sofort weggehen.«
    Father Brown nahm ohne ein Wort das Papier und ging gehorsam den Rock zu suchen; es war nicht das erstemal in seinem Leben, daß er niedrige Arbeit tat. Er brachte ihn herbei und legte ihn auf den Schalter, während der Fremde, der in seiner Westentasche herumsuchte, lachend bemerkte: »Ich habe kein Silber bei mir; Sie können das behalten,« ein Zehnfrankstück hinwarf und seinen Rock nahm.
    Father Browns Gestalt blieb ganz dunkel und stille, aber in jenem Augenblick hatte er seinen Kopf verloren. Sein Kopf war immer am wertvollsten, wenn er ihn verloren hatte. In solchen Augenblicken machte er aus zweimal zwei vier Millionen. Oftmals war die katholische Kirche (die mit dem gesunden Menschenverstande vermählt ist) nicht damit einverstanden. Oft auch war er selbst damit nicht einverstanden. Aber es war wirkliche Eingebung – von großer Bedeutung in seltenen Krisen –, daß, wer immer seinen Kopf verliert, ihn dadurch rettet.
    »Ich glaube, Sir,« erwiderte er höflich, »Sie haben doch Silber in Ihrer Tasche.«
    Der große Herr starrte.
    »Verflucht noch einmal,« rief er, »wenn ich Ihnen Gold gebe, weshalb halten Sie sich darüber auf?«
    »Weil Silber manchmal wertvoller ist als Gold.« erwiderte der Priester sanft, »das heißt, in größeren Mengen.«
    Der Fremde sah ihn eigenartig an. Dann blickte er noch eigenartiger gegen den Haupteingang hin den Gang hinab. Schließlich kehrte sein Blick zu Father Brown zurück und wandte sich sehr eingehend

Weitere Kostenlose Bücher