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Priester und Detektiv

Priester und Detektiv

Titel: Priester und Detektiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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zum Fenster über Father Browns Kopf empor, das noch mit dem Nachglühen des Gewitters gefärbt war. Jetzt schien er sich zu etwas entschlossen zu haben. Er legte eine Hand auf den Schalter, schwang sich leicht wie ein Akrobat hinüber und warf sich auf den Priester, indem er die gewaltige Hand um dessen Kragen legte.
    »Stillgehalten!« stieß er flüsternd hervor. »Ich will Sie nicht bedrohen, aber –«
    »–aber ich will Sie bedrohen,« fuhr Father Brown mit der Stimme einer rollenden Trommel fort, »ich will Sie bedrohen mit dem Wurm, der nicht stirbt, und dem Feuer, das nicht verlöscht.«
    »Sie sind eine merkwürdige Sorte von Garderobier,« meinte der andere.
    »Ich bin ein Priester, Monsieur Flambeau,« versetzte Father Brown, »und ich bin bereit, Ihre Beichte zu hören!«
    Einige Augenblicke stand der andere und schnappte nach Luft, dann taumelte er zurück in einen Stuhl.
    Die ersten beiden Gänge des Mahles der »Zwölf wahren Fischer«, waren als stillschweigender Erfolg vorübergegangen. Ich besitze kein Stück der Speisenfolge, und wenn schon, würde ich niemanden davon wissen lassen. Sie war in einer Sorte von Über-Französisch abgefaßt; wie es Köche anwenden, für Franzosen daher unverständlich. Es gab im Klub eine Überlieferung, daß die Vorspeisen verschiedenartig und mannigfaltig bis zum Punkte der Verrücktheit sein mußten. Sie würden in tiefem Ernste hingenommen, denn sie waren eingestandenermaßen unnütze Besonderheiten, wie das ganze Mahl und der ganze Klub. Es bestand ferner eine Überlieferung, daß die Suppen leicht und anspruchslos zu sein hatten – eine Art einfacher und strenger Vorfasten auf das Fischfest, das bevorstand. Die Unterhaltung war jenes eigenartige, seichte Gerede, welches das britische Reich beherrscht, es im geheimen regiert und das doch einem gewöhnlichen Engländer unverständlich bliebe, selbst wenn er es belauschen könnte. Kabinettminister von beiden Seiten wurden bei ihrem Taufnamen mit einer Art gelangweilter, ernster Zurückhaltung genannt. Der radikale Schatzkanzler, von dem man annahm, daß ihn die ganze Torypartei wegen seiner Erpressereien verfluche, wurde wegen seiner minderwertigen Dichtereien oder auch wegen seines Reitsattels beim letzten Rennen hochgehoben. Der Toryführer. den angeblich alle Liberalen als einen Tyrannen haßten, wurde in die Quere genommen und – im ganzen betrachtet – als Liberaler gepriesen. Man gewann den Eindruck, daß Politiker etwas, sehr Wichtiges seien. Und dennoch, alles an ihnen schien wichtig, nur nicht ihre Politik.
    Mr. Audley, der Vorsitzende, war ein liebenwürdiger, ältlicher Herr, der noch Gladstonekrägen trug: er war eine Art Sinnbild jener ganzen verschwommenen und doch bestimmten Gesellschaft. Niemals hatte er etwas getan – nicht einmal etwas Böses. Er war nicht leichtlebig, er war nicht einmal besonders reich. Er war einfach mit von der Partie, und damit hatte die Sache ihr Ende. Keine Partei konnte ihn ignorieren, und wenn er gewünscht hätte, Minister zu sein, würde man ihn gewiß dazu gemacht haben. Der Herzog von Chester, der stellvertretende Vorsitzende, war ein jünger und eben emporkommender Politiker, das heißt, er war ein angenehmer, junger Mensch mit flachgebürstetem, tadellosem Haar und einem mit Sommersprossen bedeckten Gesichte, von mäßigem Verstande und enorm begütert. In der Öffentlichkeit war sein Auftreten stets erfolgreich und sein Grundsatz war außerordentlich einfach. Wenn ihm ein Witz einfiel, machte er ihn, und man pflegte ihn dann als glänzend zu bezeichnen. Wenn ihm kein Witz einfiel, sagte er, es sei nicht die Zeit zu Witzen, und das wurde dann »fähig« genannt. Im Privatverkehre, in einem Klub seiner eigenen Gesellschaftsklasse war er recht nett, freimütig und harmlos wie ein Schuljunge. Mr. Audley, der sich nie mit Politik beschäftigte, behandelte seine Gefährten mit etwas mehr Ernst. Manchesmal brachte er sogar die Gesellschaft in Verwirrung durch Andeutungen, wie, es bestehe ein gewisser Unterschied zwischen einem Liberalen und einem Konservativen. Er selbst war ein Konservativer, selbst in seinem Privatleben. Er hatte eine Locke grauen Haares rückwärts über seinen Kragen herabhängen, wie gewisse altmodische Staatsmänner, und von hinten gesehen sah er aus wie der Mann, dessen das Reich bedurfte. Von vorne gesehen sah er aus wie ein gutmütiger, sich etwas gehen lassender Junggeselle, der in Albany wohnte – und das war er auch.
    Wie schon bemerkt,

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