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Priester und Detektiv

Priester und Detektiv

Titel: Priester und Detektiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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gab es vierundzwanzig Sitze längs des Tisches auf der Terrasse und nur zwölf Mitglieder im Klub. Somit stand ihnen die Terrasse in der verschwenderischesten Weise zur Verfügung. Sie saßen längs der inneren Seite der Tafel und daher ohne Gegenüber, und ungehindert beherrschte der Blick den Garten, dessen Farben noch Leben besaßen, wenngleich der Abend für diese Jahreszeit etwas verdüstert sich niedersenkte. In der Mitte der Reihe saß der Vorsitzende, am rechten Ende der Vizepräsident. Bevor die zwölf Gäste sich auf ihre Sitze niederließen, war es aus irgendeinem unbekannten Grunde Sitte, daß alle fünfzehn Kellner wie Truppen, welche vor dem König die Waffen präsentierten, in einer Reihe die Wand entlang standen, während der fette Besitzer in froher Überraschung sich gegen die Klubmitglieder verbeugte, als hätte er niemals von ihnen gehört. Doch vor dem ersten Klirren von Messer und Gabel war diese Armee von Dienern verschwunden, während nur noch der eine oder die zwei, welche zur Wegnahme oder Verteilung der Teller notwendig waren, in tödlichem Schweigen umherschossen., Mr. Lever, der Besitzer, war natürlich längst vorher unter Höflichkeitskrämpfen verschwunden. Es wäre übertrieben, ja in der Tat unehrerbietig, zu sagen, daß er jemals noch in voller Wirklichkeit erschien. Wenn jedoch der wichtigste Gang, der Fisch, aufzutragen war, da gab es – wie soll ich es ausdrücken? – so etwas wie einen lebendigen Schatten, ein Aufleuchten seiner Persönlichkeit, das besagte, daß er in der Nähe weilte. Der geheiligte Fischgang bestand (für das Auge des gewöhnlichen Sterblichen) in einer Art ungeheuren Puddings, etwa in der Größe und Gestalt eines Hochzeitskuchens, worin irgendeine beträchtliche Anzahl interessanter Fische schließlich ihre ihnen von Gott verliehene Gestalt verloren hatten. Die zwölf wahren Fischer ergriffen ihre berühmten Fischmesser und Fischgabeln und machten sich mit so furchtbarem Ernste daran, als koste jeder Zoll des Puddings so viel wie die Silbergabel, mit der er verspeist wurde. Und das kostete er auch, soviel ich weiß. Dieser Gang wurde mit Interesse und verzehrendem Schweigen behandelt, und erst, als sein Teller nahezu geleert war, machte der junge Herzog die vorgeschriebene übliche Bemerkung:
    »Das verstehen sie nirgends so wie hier!«
    »Nirgends!« bestätigte Mr. Audley in tiefem Basse, indem er sich an den Redner wandte und mit seinem ehrwürdigen Haupte eine Anzahl Male nickte. »Nirgends, auf Ehre, so wie hier. Es wurde mir geschildert, daß man im Café Anglais –«
    Hier wurde er unterbrochen und auf einen Augenblick selbst aus dem Geleise gebracht durch das Wegnehmen seines Tellers, doch erfaßte er von neuem den kostbaren Faden seines Gedankens: »– es wurde mir geschildert, daß man das im Café Anglais ebenso zubereite. Nicht die Spur davon, Sir!« versicherte er, indem er sein Haupt in grausamer Wut schüttelte wie ein aufhängender Richter. »Nicht die Spur davon!«
    »Überschätzter Ort,« meinte ein gewisser Oberst Pound, indem er seinem Blicke nach zum erstenmal seit mehreren Monaten sprach.
    »O, ich weiß nicht,« erwiderte der Herzog von Chester, der ein Optimist war, »ganz famos für gewisse Dinge. Nicht zu überbieten in –«
    Ein Kellner kam rasch den Salon entlang und stand plötzlich starr. Sein Stehenbleiben war so geräuschlos wie sein Gang, doch alle jene bestimmungslosen und liebenswürdigen Herren waren so an den absolut glatten Gang des unsichtbaren Mechanismus, der sie umgab und ihr Leben erhielt, gewöhnt, daß ein Kellner, der etwas Unerwartetes tat, ihnen einen Ruck gab wie ein Mißton. Sie fühlten sich wie du oder ich, wenn auf einmal die leblose Welt den Gehorsam versagen würde – wie wenn ein Stuhl davonlaufen würde.
    Der Kellner stand und starrte einige Sekunden, während auf jedem Gesichte am Tische eine eigentümliche Scham zutage trat, voll und ganz ein Erzeugnis unserer Zeit. Es ist die Vermischung des modernen Menschlichkeitsdusels mit dem schrecklichen modernen Abgrunde zwischen den Seelen der Reichen und der Armen. Ein echter historischer Aristokrat würde dem Kellner alles mögliche an den Kopf geworfen haben, anfangend mit leeren Flaschen und aufhörend höchst wahrscheinlich mit Bargeld. Ein echter Demokrat würde mit kameradschaftlicher Geradheit in der Stimme gefragt haben, was zum Teufel er denn habe. Aber diese modernen Plutokraten konnten einen armen Mann nicht in ihrer Nähe vertragen,

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