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Priester und Detektiv

Priester und Detektiv

Titel: Priester und Detektiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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weder als Sklaven noch auch als Freund. Daß irgend etwas mit der Bedienung nicht stimmte, war für sie eine höchst peinliche Zwickmühle. Brutal wollten sie nicht sein, und wohlwollend sein zu wollen, davor schreckten sie zurück. Sie wollten, das Ding, was immer es auch sei, wäre vorüber. Und es war vorüber. Der Kellner drehte sich, nachdem er ein paar Sekunden steif wie vom Starrkrampf befallen dagestanden hatte, herum und schoß wie verrückt hinaus. Als er wieder erschien, war er in Begleitung eines zweiten Kellners, mit dem er tuschelte und in südländischer Lebhaftigkeit gestikulierte. Dann ging der erste Kellner weg, ließ den zweiten zurück und erschien wieder mit einem dritten. Um die Zeit, als ein vierter Kellner dieser hurtigen Synode sich zugesellt hatte, empfand Mr. Audley im Interesse des Taktes für notwendig, das Schweigen zu brechen. Das tat er an Stelle einer Präsidentenglocke mit einem sehr lauten Räuspern, sowie indem er sagte:
    »Famos, wie der junge Moocher in Birma wirkt! Ich glaube kein anderes Volk der Welt besitzt –«
    Ein fünfter Kellner war wie ein Pfeil auf ihn zugeschwirrt und raunte ihm ins Ohr.
    »Sehr leid! Wichtig! Kann Sie der Besitzer sprechen?«
    Der Vorsitzende wandte sich verwirrt, und in stummem Starren sah er Mr. Lever in schwerfälliger Eilfertigkeit herankommen. Die Haltung des guten Besitzers war in der Tat seine gewöhnliche, keineswegs aber das gewöhnliche war sein Gesicht. Sonst pflegte es ein frisches Kupferbraun zu sein, jetzt war es ein kränkliches Gelb.
    »Sie werden verzeihen. Mr. Audley,« begann er in asthmatischer Atemlosigkeit. »Ich hege eine große Befürchtung. Nämlich Ihre Fischteller, sie sind mitsamt den Messern und Gabeln weggeräumt worden!«
    »Well, ich hoffe,« erwiderte der Vorsitzende mit etwas Wärme.
    »Sehen Sie ihn?« schnappte der aufgeregte Hotelwirt. »Sehen Sie den Kellner, der sie wegnahm? Kennen sie ihn?«
    »Den Kellner kennen?« antwortete Mr. Audley entrüstet. »Natürlich nicht!«
    Mr. Lever rang mit einer Bewegung von Todesangst die Hände. »Ich habe ihn niemals geschickt,« sagte er. »Ich weiß nicht, wann und weshalb er kommt. Ich schicke meinen Kellner, um die Teller abzuräumen, und er findet sie bereits weggeräumt!«
    Mr. Audley blickte beinahe zu verwirrt drein, um wirklich der Mann zu sein, dessen das Reich bedarf: niemand von der Gesellschaft war imstande, etwas zu sagen, ausgenommen der Mann aus Holz – Oberst Pound –, der zu unnatürlichem Leben galvanisiert zu sein schien. Steif erhob er sich von seinem Stuhle, ließ alle anderen sitzen, quetschte sich den Glasscherben ins Auge und sprach mit heiserer, gedämpfter Stimme, als hätte er das Sprechen zur Hälfte verlernt:
    »Meinen Sie, daß jemand unser Silber-Fischservice gestohlen hat?«
    Der Besitzer wiederholte seine Händebewegung, diesmal nur noch mit noch größerer Hilflosigkeit, und im Nu standen alle am Tische auf den Füßen.
    »Sind Ihre Kellner hier?« fragte der Oberst in seiner leisen, rauhen Art.
    »Ja, es sind alle hier. Ich habe das selbst konstatiert,« rief der junge Herzog, sein knabenhaftes Gesicht in die Mitte drängend. »Ich zähle sie jedes Mal, wenn ich hereinkomme; sie sehen so spaßig aus. wenn sie so längs der Wand dastehen.«
    »Aber man kann sich doch gewiß nicht so genau erinnern.« begann Mr. Audley in schwerfälligem Zögern.
    »Ich entsinne mich ganz genau, sage ich Ihnen,« rief der Herzog erregt. »Es waren nie mehr als fünfzehn Kellner an diesem Platze, und es waren nicht mehr als fünfzehn heute abend, das kann ich beschwören; nicht mehr und nicht weniger!«
    Zitternd, als träfe ihn ein Schlaganfall der Überraschung, wandte sich der Besitzer zu ihm: »Sie sagen – Sie sagen,« stammelte er, »daß Sie sahen alle meine Kellner?«
    »Wie gewöhnlich,« bestätigte der Herzog: »was soll es damit?«
    »Nichts,« erwiderte Lever mit vertieftem Nachdrucke. »nur daß Sie es nicht taten. Denn einer von ihnen liegt tot im Zimmer oben.«
    Für einen Augenblick herrschte beängstigende Stille im Zimmer. Es mag sein – so übernatürlich ist das Wort »tot« –. daß ein. jeder von diesen Tagedieben auf eine Sekunde in seine Seele Einblick hielt und sie wie eine kleine vertrocknete Erbse erblickte. Einer von ihnen – der Herzog glaube ich – meinte sogar mit der idiotischen Liebenswürdigkeit des Reichen:
    »Können wir vielleicht etwas tun?«
    »Er hat einen Priester gehabt,« antwortete der Jude nicht ohne

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