Priester und Detektiv
jenem halb verrückten Plagegeist, was war unrechtes darin? Ich stellte mich nur wie ein Mann der Wissenschaft Tatsachen gegenüber. Sie würde glücklicher sein.
»Nach meinem eigenen Glauben war ich vollkommen frei, Quinton zu töten, was für jedermann, auch für ihn selbst das Beste war? Doch als gesundes Lebewesen fiel mir nicht ein, mich selbst zu beseitigen. Ich beschloß daher, es erst zu tun, wenn ich eine Gelegenheit fände, die mich völlig unbehelligt ließ. Diese Gelegenheit sah ich heute morgens.
»Ich war heute im ganzen dreimal in Quintons Zimmer. Als ich das erstemal hineinging, sprach er von nichts anderem als der unheimlichen Erzählung ›Der Fluch eines Heiligen‹, an der er schrieb und worin ein indischer Einsiedler einen englischen Oberst nur durch Gedankenübertragung Selbstmord begehen läßt. Er zeigte mir die letzten Blätter und las mir sogar den letzten Abschnitt vor, der ungefähr lautete: ›Der Eroberer des Panschab, nur noch ein gelbes Skelett, aber immer noch ein Riese, vermochte noch sich auf seinen Ellbogen zu stützen und seinem Neffen ins Ohr zu hauchen: Ich sterbe durch meine eigene Hand, doch sterbe ich gemordet!‹ Zufälligerweise, wie es in hundert Fällen nur ein einzigesmal zu geschehen pflegt, standen diese letzten Worte zu Beginn eines neuen Blattes. Ich verließ das Zimmer, und berauscht von einer fürchterlichen, günstigen Gelegenheit ging ich in den Garten hinaus.
»Wir schlenderten um das Haus und zwei weitere Vorfälle arbeiteten mir in die Hand. Sie hegten Verdacht gegen den Inder, und Sie fanden einen Dolch, dessen Benützung durch den Inder höchst wahrscheinlich erscheinen mußte. Ich benützte die Gelegenheit, steckte ihn ein, kehrte in Quintons Studierzimmer zurück und reichte ihm sein Schlafmittel. Er wollte nichts davon wissen, Atkinson eine Antwort zu geben, aber ich drang in ihn, dem Burschen zuzurufen und ihn zu beruhigen, denn ich brauchte einen klaren Beweis, daß Quinton noch lebte, als ich das Zimmer zum zweitenmal verließ. Quinton legte sich im Gewächshause nieder und ich kam durch das Studierzimmer. Ich bin sehr gewandt mit meinen Händen, und in ein und einer halben Minute hatte ich getan, was ich tun wollte. Ich hatte den ganzen ersten Teil von Quintons Roman ins Kaminfeuer geworfen, wo er zu Asche verbrannte. Da sah ich, daß das Anführungszeichen hinderlich war, also schnitt ich es ab, und um es noch wahrscheinlicher zu machen, beschnitt ich den ganzen Stoß Papier in gleicher Weise. So kam ich heraus mit dem Bewußtsein, daß Quintons Eingeständnis des Selbstmordes auf dem Tische lag, wahrend Quinton lebend, jedoch schlafend im Gewächshause drüben ruhte.
»Der letzte Akt war ein verwegener, das können Sie sich denken. Ich gab vor, Quinton tot liegen gesehen zu haben und stürzte in sein Zimmer. Ich hielt Sie mit den Papieren auf, und daran gewöhnt, meine Hände rasch zu gebrauchen, tötete ich Quinton, während Sie sein Geständnis des Selbstmordes lasen. Er war halb betäubt von dem Schlaftrunk, ich legte seine Hand um den Dolch und stieß ihn ihm in den Leib. Der Dolch war von so sonderbarer Form, daß nur ein Operationskundiger den Winkel berechnen konnte, um sein Herz zu treffen. Ob Sie das wohl bemerkten?
»Als ich es getan hatte, geschah das Außergewöhnliche. Die Natur verließ mich. Ich fühlte mich krank. Mir war, als hätte ich etwas Unrechtes begangen. Ich glaube, mein Gehirn versagt; ich empfinde etwas wie einen verzweifelten Trost in dem Gedanken, daß ich das Geschehene jemanden anvertraut habe, daß ich es nicht allein mit mir herumtragen muß, wenn ich heirate und Kinder habe. Was ist mit mir? ... Wahnsinn ... oder kann man Gewissensbisse haben, wie in Byrons Gedichten? Ich kann nicht weiter schreiben. –
James Erskine Harris.«
Father Brown faltete den Brief sorgfältig zusammen und steckte ihn in seine Brusttasche, als eben kräftig die Torglocke gezogen wurde und die nassen Gummimäntel mehrerer Polizisten draußen auf der Straße glänzten.
Die Sternschnuppen
»Das schönste Verbrechen, das ich je beging,« pflegte Flambeau in seinen überaus moralischen alten Tagen zu erzählen, »war infolge eines ganz eigenartigen Zusammentreffens auch mein letztes. Es wurde an Weihnachten vollführt. Als Künstler war ich von jeher bestrebt, meine Verbrechen so zu begehen, daß sie sich der jeweiligen Jahreszeit oder Landschaft, in der ich selbst mich befand, anpaßten, wobei ich für eine Katastrophe die eine oder
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