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Priester und Detektiv

Priester und Detektiv

Titel: Priester und Detektiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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andere Terrasse oder den Garten auswählte, wie man das so auch für eine Statuengruppe tut. Adelige Grundbesitzer erforderten eine Begaunerung in langen, in Eiche getäfelten Räumen, während hinwiederum Juden sich unerwartet in der Beleuchtung oder hinter den Wandschirmen des Café Riche ohne auch nur einen Penny zu finden hatten. Wenn ich z. B. in England einen Dekan von seinen Reichtümern befreien wollte (was nicht so leicht ist, als du glauben möchtest), war ich bestrebt, ihn – wenn ich mich klar ausdrücke – in die grünen Wiesen und grauen Türme irgend eines alten Bischofssitzes zu rahmen. Ähnlich freute ich mich in Frankreich, wenn, nachdem ich einen reichen und leichtsinnigen Bauern um sein Geld gebracht hatte (was nahezu unmöglich ist), sich sein entrüstetes Haupt von der grauen Linie der beschnittenen Pappeln und jenen feierlichen Ebenen Galliens abhob, über denen der mächtige Geist Millets ruht.
    Nun also, mein letztes Verbrechen war ein Weihnachtsverbrechen, ein lustiges, gemütliches, englisches Mittelstandsverbrechen, ein Verbrechen von der Art Charles Dickens'. Ich beging es in einem guten, alten, bürgerlichen Hause in der Nähe von Putney, einem Hause mit einer halbrunden Auffahrt, einem Hause mit einem Stalle daneben, einem Hause mit dem Namen außen über der Türe, einem Hause mit einer Tanne daneben, genug, du kennst die Sorte. Ich glaube wirklich, meine Nachahmung von Dickens' Art war gelungen und durchaus literarisch. Es scheint beinahe schade, daß sie mich noch am selben Abende gereute.«
    Flambeau pflegte dann fortzufahren, uns die Geschichte von ihrer inneren Seite aus zu erzählen, und selbst nach dieser hin war sie eigenartig. Von außen betrachtet war sie vollkommen unverständlich, und dennoch muß sie der Fremde von dort aus studieren. Von diesem Standpunkte aus könnte man sagen, das Drama begann, als die Vordertüre des Hauses mit dem Stalle sich nach dem Garten mit der Tanne öffnete und ein junges Mädchen mit Brot herauskam, um am Nachmittage des Tages nach Weihnachten die Vögel zu füttern. Sie hatte ein hübsches Gesicht mit guten braunen Augen, aber ihre Gestalt entzog sich jeder Vermutung, denn sie war so sehr in braune Pelze gehüllt, daß es schwer war, zu sagen, was Haar und was Pelz war. Wäre ihr anziehendes Gesicht nicht gewesen, so hätte man sie für einen ganz niedlichen Zottelbär halten können.
    Der Winternachmittag rötete sich mit den abendlichen Tinten und ein beinahe rubinrotes Licht lag über die blumenlosen Beete gebreitet, gleich als lägen über ihnen die Geister der toten Rosen. Auf der einen Seite des Hauses stand der Stall, auf der anderen führte eine Allee oder ein Kreuzgang von Lorbeer nach dem größeren Garten dahinter. Das Fräulein schritt, nachdem es den Vögeln Brot gestreut hatte (zum vierten oder fünften Male, da der Hund es immer wieder wegfraß), züchtig den Lorbeerpfad entlang, hinüber zu der dahinter liegenden, schimmernden Immergrünpflanzung. Hier stieß sie einen Schrei wirklicher oder angeblicher Überraschung aus, und zu der hohen Gartenmauer emporblickend sah sie dort eine etwas phantastische Gestalt rittlings sitzen.
    »O, nicht springen, Mr. Crook,« rief sie ein wenig erschrocken aus, »es ist viel zu hoch!«
    Das Individuum, das wie auf einem Pegasus auf der Gartenmauer ritt, war ein starker, vierschrötiger, junger Mann mit schwarzem gleich einer Haarbürste aufrechtstehendem Haare, von intelligenten und sehr scharfgeschnittenen Linien, jedoch blassen und beinahe fremdartigen Zügen. Das trat um so deutlicher hervor, als er ein herausfordernd rotes Halstuch trug, der einzige Teil seiner Gewandung, auf den er einigermaßen zu halten schien. Vielleicht war es ein Sinnbild. Unbekümmert um des Mädchens erschrockenen Zuruf sprang er wie ein Grashüpfer neben ihr zu Boden, wobei er recht leicht seine Beine hätte brechen können.
    »Sie halten mich wohl für einen Einbrecher,« begann er ruhig, »und ich zweifle nicht, ich wäre einer, wenn ich nicht zufällig in jenem hübschen Hause nebenan geboren wäre. Es ist doch nichts Schlimmes dabei?«
    »Wie können Sie nur so etwas sagen!« erwiderte sie vorwurfsvoll.
    »Nun,« antwortete der junge Mann, »wenn man auf der falschen Seite geboren ist, sehe ich nicht ein, was Schlimmes dabei ist, herüber zu steigen!«
    »Bei Ihnen weiß man nie, was Sie im nächsten Augenblicke sagen oder tun.«
    »Das weiß ich oft selbst nicht,« gab Mr. Crook zurück, »übrigens bin

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